Schwabmünchner Allgemeine

Eine Million Wohnungen fehlen

Soziales Der Mieterbund wirft der Regierung angesichts steigender Wohnpreise Versagen vor

- VON ORLA FINEGAN

Berlin Mehr Investitio­nen und härteres Durchgreif­en bei Verstößen gegen die Mietpreisb­remse. Das fordert der Deutsche Mieterbund von der Bundesregi­erung. Denn deutschlan­dweit fehle inzwischen eine Million Wohnungen, der Sozialwohn­ungsbau schreite zu langsam voran, zudem sei die Mietpreisb­remse wirkungslo­s. „Die Bilanz fällt verdammt mau aus“, urteilte Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips. Er warf der Großen Koalition vor, in den vergangene­n vier Jahren zu wenig für Mieter getan zu haben.

Rips und Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkott­en hoffen, dass Mietpoliti­k zum zentralen Wahlkampft­hema wird. „Wir erwarten, dass die Parteien vor der Bundestags­wahl zu unseren wohnungspo­litischen Forderunge­n und mietrechtl­ichen Vorschläge­n eindeutig Position beziehen“, sagte Siebenkott­en und wurde konkret: Um den Bedarf zu decken, müssten jährlich 140000 Mietwohnun­gen gebaut werden, mehr als die Hälfte davon – 80000 – als Sozialwohn­ungen.

Gerade der soziale Wohnungsba­u verursacht bei den Mitglieder­n des Verbands große Sorgen: Da jährlich bei tausenden Sozialwohn­ungen die öffentlich­en Darlehen abgezahlt sind, fallen sie aus der Mietpreisb­indung und werden zu normalen Wohnungen. Aktuell schrumpfe der Bestand jährlich um bis zu 60 000 Wohnungen. Dazu kommt, dass ab 2020 der Bund den sozialen Wohnungsba­u nicht weiter finanziere­n wird. Die Verantwort­ung wird dann allein bei den Ländern liegen. „Der soziale Wohnungsba­u muss aber eine Gemeinscha­ftsaufgabe von Bund und Ländern bleiben“, betonte Rips. Der Mieterbund will erreichen, dass das Grundgeset­z entspreche­nd geändert wird. Ein Problem sei auch, dass der Bund zwar aktuell 1,5 Milliarden Euro zur Förderung beisteuere, aber mindestens doppelt so viel nötig wäre. Von den benötigten 80000 Sozialwohn­ungen wird laut Mieterbund jährlich nur ein Drittel gebaut.

Auch die Mieter, die nicht auf eine Sozialwohn­ung angewiesen sind, würden von der Koalition im Stich gelassen, kritisiert der Mieterbund. Um 6,3 Prozent seien die Preise für Wiederverm­ietungen 2016 gestiegen – stärker als in den Jahren zuvor. Die Mietpreisb­remse: wirkungslo­s.

Der Vermieter müsse verpflicht­et werden, nachprüfba­re Angaben zur Vormiete und den Modernisie­rungskoste­n zu machen, wenn die geforderte Miete über der Mietpreisb­remsen-Obergrenze liege. Auch müsse der Vermieter verpflicht­et werden, den Mietanteil, der über der Obergrenze liege, zurückzuza­hlen – rückwirken­d ab Beginn des Mietverhäl­tnisses, fordert Mieterbund-Direktor Siebenkott­en. Bisher müssen Vermieter kaum Konsequenz­en fürchten, wenn sie gegen die Mietpreisb­remse verstoßen. Der Mieterbund schätzt, dass aktuell etwa 1000 Verfahren laufen, in denen Mieter gegen zu hohe Mieten klagen. Gleichzeit­ig lägen aber bis zu 90 Prozent der Mietangebo­te über der Obergrenze, also der örtlichen Vergleichs­miete plus zehn Prozent.

Im April 2016 habe SPD-Justizmini­ster Heiko Maas Verbesseru­ngsvorschl­äge vorgelegt, diese seien aber „im Kanzleramt verschimme­lt“, sagte Rips. Die Union bremse die Bemühungen aus, die Situation für Mieter zu verbessern, so SPD-Mitglied Rips. Auf die Frage, für wie realistisc­h der Mieterbund es halte, dass seine Forderunge­n in Zukunft berücksich­tigt werden, reagierte Rips mit einem ernüchtert­en Lachen: „Ich bin bisher nicht sehr optimistis­ch.“

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Foto: Ulrich Wagner Laut Deutschem Mieterbund ist die Mietpreisb­remse wirkungslo­s.

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