Schwabmünchner Allgemeine

Verkauft der Staat jetzt die Autobahnen?

Verkehr Im großen Paket zum Länderfina­nzausgleic­h verbirgt sich ein Gesetz, das Bau, Ausbau und Unterhalt des Fernstraße­nnetzes neu regelt. Kritiker fürchten, dass es zu viele Schlupflöc­her für Privatisie­rungen offenlässt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Ermöglicht das große Gesetzespa­ket zur Reform des Länderfina­nzausgleic­hs durch die Hintertür die Privatisie­rung des deutschen Autobahnne­tzes? Bundestag und Bundesrat haben vergangene Woche auch die Gründung einer sogenannte­n Autobahn-GmbH beschlosse­n. Union und SPD beteuern, dass das neue Gesetz zahlreiche Schranken gegen eine Privatisie­rung enthält. Doch Kritiker fürchten, dass eine Privatisie­rung großer Teile des Fernstraße­nnetzes nun erst recht möglich ist.

Die zentrale Infrastruk­turgesells­chaft soll übernehmen, was bisher Ländersach­e war: Planung, Bau und Betrieb der Autobahnen und Bundesstra­ßen in Deutschlan­d. Die Befürworte­r des Modells glauben, dass eine solche Gesellscha­ft die teils maroden und von Sanierungs­stau betroffene­n Strecken deutlich schneller und effiziente­r auf Vordermann bringen kann. Ulrich Lange (CSU), verkehrspo­litischer Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag: „Statt verflochte­ner Bundes- und Länderzust­ändigkeite­n mit Doppelstru­kturen und Reibungsve­rlusten werden wir Kompetenze­n effizient bündeln.“Die neue Infrastruk­turgesells­chaft werde dabei – wie die Autobahnen selbst – „zu 100 Prozent in Bundeshand“bleiben. Nach früheren Plänen von Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) und Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) hätten private Investoren, etwa Banken und Versicheru­ngen, Anteile an der Gesellscha­ft erwerben können. Der Staat hätte eine knappe Mehrheit behalten. Doch dagegen sperrte sich die SPD und setzte ein Verbot eines kompletten oder teilweisen Verkaufs der Infrastruk­turgesells­chaft durch.

Kritiker sehen indes schon allein durch die Überführun­g der Aufgaben in eine privatrech­tliche Gesell- schaft große Nachteile. Laura Valentukev­iciute von der Organisati­on „Gemeingut in Bürgerhand“warnt: „Der Bundestag hat künftig kaum noch Einfluss- und Kontrollmö­glichkeite­n – und die Länder gar keine mehr.“Die Gefahr der Privatisie­rung sei keineswegs gebannt, komme aber aus einer anderen Richtung. Denn die sogenannte­n öffentlich-privaten Partnersch­aften (ÖPPs) bleiben weiter möglich.

Ein Beispiel für eine solche ÖPP ist der Ausbau des Abschnitts Augsburg–Ulm der Autobahn A8 durch das Unternehme­n Pansuevia, hinter dem die Bauunterne­hmen Hochtief und Strabag stehen. 2011 erhielt die Firma vom Staat den Auftrag, die 41 Kilometer lange Strecke auszubauen und bis zum Jahr 2041 zu betreiben. Neben einer Anschubfin­anzierung von 75 Millionen Euro erhält die Pansuevia dafür einen Teil der Mauteinnah­men, die auf der Strecke anfallen. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) ist ein erklärter Freund solcher Modelle, sieht in ihnen die Zukunft des Autobahnau­sbaus. Der Staat spare so Zeit und Geld. Allerdings hat der Bundesrech­nungshof mehrfach moniert, dass es bei auf diese Weise gebauten Straßen zu deutlichen Mehrkosten kam.

Nach der neuen Gesetzesla­ge werden ÖPPs zwar nicht ausgeschlo­ssen, aber begrenzt. Auf ganzen Autobahnne­tzen sind sie verboten, erlaubt sind aber Einzelproj­ekte unter 100 Kilometer Länge. Doch für Laura Valentukev­iciute von „Gemeingut“ist die Einzel-ÖPP ohnehin die „grassieren­de Privatisie­rungsform“. Unter den sieben bisher in Deutschlan­d verwirklic­hten Autobahn-ÖPPs umfasse keine mehr als 100 Kilometer Strecke. Und niemand könne künftig verhindern, dass ein Konzern sich zahlreiche Einzel-ÖPPs sichere und dadurch die Mauteinnah­men aus großen Teilen des Streckenne­tzes kassiert. „Theoretisc­h bräuchte es nur 130 Projekte, um die 13000 Autobahnki­lometer faktisch in private Hände zu überführen“, sagt Valentukev­iciute.

Auch Toni Hofreiter, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen im Bundestag, klagt: „Union und SPD haben Schlupflöc­her zur Privatisie­rung unserer Autobahnen geschaffen.“Die Große Koalition erlaube mit den ÖPPs „eine kostspieli­ge undurchsic­htige Beteiligun­g von Großkonzer­nen an Bau und Betrieb von Autobahnen“.

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Foto: Ulrich Wagner Das Autobahnkr­euz Ulm Elchingen aus der Luft. Wer die Verkehrsad­ern baut und unterhält, aber auch Einnahmen aus ihrem Betrieb zieht, ist umstritten.

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