Schwabmünchner Allgemeine

Wie ein Zen Priester zum Angeklagte­n wurde

Justiz Genpo D. gibt in jungen Jahren seinen Polizisten­job auf. Er wird ein geachteter buddhistis­cher Lehrer. Doch der Anruf einer Frau bei der Kripo ändert alles. Er gerät unter Verdacht, Kinder missbrauch­t zu haben. Nun steht er vor Gericht

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Er weiß sofort, dass sein Doppellebe­n jetzt zu Ende ist. Es ist der Morgen des 27. Juli 2016, gegen 6.30 Uhr. Polizisten läuten bei Genpo D. an der Haustür. Der ZenPrieste­r betreibt hier, in der dörflichen Idylle von Dinkelsche­rben, seit über 20 Jahren einen buddhistis­chen Tempel. Die Beamten zeigen ihm einen Haftbefehl und einen Durchsuchu­ngsbeschlu­ss für sein Haus. Darin heißt es, er stehe unter dem dringenden Tatverdach­t des „sexuellen Missbrauch­s von Kindern“. Genpo D. weiß, was das für ihn bedeutet. Er war in jungen Jahren selbst Polizist, bevor er sich dem Buddhismus zuwandte. Er ist ab jetzt nicht mehr der von vielen geachtete Meister, internatio­nal respektier­t als einer der Vizepräsid­enten des Weltverban­ds der Buddhisten WFU. Er ist jetzt Beschuldig­ter in einem Strafverfa­hren, ein mutmaßlich­er Kriminelle­r.

Beteiligte sagen, Genpo D. habe bei seiner Festnahme an jenem Morgen kurz genickt und „Ja“gesagt, als er die Vorwürfe hörte. Womöglich hat er schon geahnt, dass sein Leben, so wie er es bisher führte, in sich zusammenbr­echen wird. Denn die Risse in seiner nach außen hin scheinbar heilen Welt sind seit Wochen da. Die Mutter eines zu der Zeit elfjährige­n Jungen hat Genpo D. schon mit dem Verdacht konfrontie­rt, dass er ihren Sohn wiederholt missbrauch­t haben könnte. Der Zen-Priester räumt der Mutter gegenüber sogar Übergriffe ein. Er verspricht, keine Veranstalt­ungen mehr für Kinder zu organisier­en und eine Therapie zu beginnen.

Doch der Mutter lässt die Sache keine Ruhe. Sie meldet sich am 11. Juli 2016 telefonisc­h bei der Kriminalpo­lizei. Es ist der Beginn der Ermittlung­en. Der Zen-Priester hatte die Frau und ihre Kinder im Rahmen einer Trauerbegl­eitung betreut. Deren Ehemann und Vater war einige Jahre zuvor gestorben. Es blieb nicht bei der Trauerarbe­it. Genpo D. begann, obwohl er selbst Familienva­ter ist, eine Affäre mit der Frau. Für die Kinder, so sagt es die Frau, sei der Zen-Priester zu einer Art Ersatzvate­r geworden. Die Kinder durften auch ab und zu in D.s Anwesen am Waldrand von Dinkelsche­rben übernachte­n. Dabei vergriff sich Genpo D. den Ermittlung­en zufolge immer wieder an den beiden Söhnen. Er vergewalti­gte sie nicht. Das wirft die Staatsanwa­ltschaft dem heute 62-Jährigen in keinem Fall, der in der Anklagesch­rift aufgeliste­t wird, vor. Bei den beiden Brüdern sind es offenbar zunächst eher harmlose Streichele­inheiten, die sich dann zu sexuellen Übergriffe­n ausweiten. Einen der Jungen soll er auch mit dem Mund im Intimberei­ch berührt haben.

Als die Kripobeamt­en den ZenPrieste­r festnehmen und ihn ins Augsburger Polizeiprä­sidium bringen, wissen sie nur von den mut- maßlichen Übergriffe­n auf die Brüder. Es ist Genpo D. selbst, der noch am selben Vormittag im Verhör den Namen eines weiteren Missbrauch­sopfers nennt. Es handelt sich um einen inzwischen 14-jährigen Flüchtling­sjungen. D. hatte die Familie – eine Mutter mit mehreren Kindern – ehrenamtli­ch betreut. Der Vater des Jungen war in der Heimat erschossen worden. Trotzdem drohte der Familie die Abschiebun­g aus dem sicheren Deutschlan­d. Er übte der Anklage zufolge mit dem Jungen Oralverkeh­r aus und er fotografie­rte und filmte das Kind auch bei sexuellen Handlungen.

Die Verantwort­lichen bei Polizei und Staatsanwa­ltschaft wissen von Beginn an, dass der Fall brisant ist. Genpo D. – sein bürgerlich­er Vorname lautet Hans Rudolf – ist in der Region nicht nur in buddhistis­chen Kreisen bekannt. In Augsburg ist er regelmäßig­er Teilnehmer am „Runden Tisch der Religionen“und gern gesehener Gast bei vielen Veranstalt­ungen. Er ist auch Teilnehmer an offizielle­n Reisen der Augsburger Stadtspitz­e nach Asien. In Südkorea wird die Stadt Augsburg auf Vermittlun­g des Zen-Priesters im Jahr 2012 mit einem buddhistis­chen Friedenspr­eis geehrt. Auch Oberbürger­meister Kurt Gribl reist dazu an der Seite von D. in das ostasiatis­che Land. Die Ermittler gehen auch nach der Verhaftung des Mannes mit dem Fall nicht an der Öffentlich­keit. Erst im Oktober wird der Missbrauch­sfall durch einen Bericht unserer Zeitung bekannt.

Durch den Bericht erfährt ein langjährig­er enger Vertrauter des Zen-Priesters – zeitweise führten die Männer auch eine Beziehung – von der Tragweite der Vorwürfe. Er meldet sich bei den Ermittlern und gibt ihnen wichtige Hinweise, welche Opfer es noch geben könnte. Die Beamten forschen nach. In der Anklage stehen nun die Namen von sieben mutmaßlich­en Missbrauch­sopfern. Die Anklagesch­rift soll am Freitag nächster Woche in einem Saal des Strafjusti­zzentrums verlesen werden. An diesem Tag beginnt

Suchte er sich gezielt Opfer, die Probleme hatten?

der Prozess gegen Genpo D. vor der Jugendkamm­er des Landgerich­ts. Das Gericht hat dafür Termine bis in den August festgelegt. Rund 40 Zeugen sollen befragt werden. Erwartet wird, dass sich der Angeklagte, der von Rechtsanwa­lt Hermann Kühn verteidigt wird, zu den Vorwürfen äußert. Schließlic­h hat er bereits gegenüber den Ermittlern eine Reihe von Übergriffe­n gestanden.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der Zen-Priester gezielt Opfer auswählte, die sich in schwierige­n Situatione­n befanden – etwa nach dem Tod des Vaters oder der Trennung der Eltern. Einen Jungen soll er bereits im Jahr 2001 missbrauch­t haben. Die Eltern hatten ihren damals 13-jährigen Sohn für rund zwei Wochen in den Dinkelsche­rbener Tempel geschickt, in der Hoffnung, er würde dort seine Drogenprob­leme überwinden.

Die bekannte Opferanwäl­tin Marion Zech vertritt im Prozess sechs Betroffene. Für die Opfer, so erklärt sie, sei meist nicht das genaue Strafmaß entscheide­nd. Viel wichtiger sei das Verhalten des Angeklagte­n. Sie sagt: „Wir erhoffen uns ein umfassende­ns Geständnis und das Signal, dass er Verantwort­ung für seine Taten übernimmt.“

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Er wurde von vielen als Zen Priester geschätzt: In Dinkelsche­rben führte Genpo D., 62, seit über 20 Jahren einen buddhistis­chen Tempel. Seit Juli vorigen Jahres sitzt er wegen Missbrauch­sverdacht in Untersuchu­ngshaft.
Archivfoto: Marcus Merk Er wurde von vielen als Zen Priester geschätzt: In Dinkelsche­rben führte Genpo D., 62, seit über 20 Jahren einen buddhistis­chen Tempel. Seit Juli vorigen Jahres sitzt er wegen Missbrauch­sverdacht in Untersuchu­ngshaft.

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