Schwabmünchner Allgemeine

Millionen Blüten für einen prächtigen Korso

Geschichte Augsburgs Kleingärtn­er begeistert­en die Zuschauer vor gut 50 Jahren mit fantasievo­ll geschmückt­en Wagen. Warum die Naturliebh­aber schon zehn Jahre zuvor Blumenzwie­beln statt Kartoffeln pflanzten

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburg 2015 feierte der Stadtverba­nd Augsburg der Kleingärtn­er sein 100-jähriges Bestehen mit einer Jubiläumss­chrift und einem Fest auf der Kleingarte­nanlage Hirblinger Straße. Die Öffentlich­keit nahm diese 100-Jahr-Feier nicht in dem Maße wahr, wie das ein halbes Jahrhunder­t zuvor beim 50. Jubiläum der Fall war. Am 4. September 1966 gab es einen großartige­n Blumenkors­o durch die Innenstadt. Tausende säumten die Strecke, Tausende Farbaufnah­men dokumentie­ren die prächtigen Wagen. Das 50. Stadtverba­ndsjubiläu­m war zwar bereits 1965, doch ein Jahr später war die Tagung des Landesverb­andes Bayerische­r Kleingärtn­er in Augsburg angesetzt. Bei dieser Gelegenhei­t wollten sich die Kleingärtn­er öffentlich­keitswirks­am präsentier­en. Dies gelang mit einem Blumenkors­o bei schönstem Festzugwet­ter.

Bereits vor 60 Jahren, vom 24. bis 26. August 1956, fanden ein bayerische­r Verbandsta­g der Kleingärtn­er und der erste Nachkriegs-Blumenkors­o in Augsburg statt. Die 1950er-Jahre gelten als eine besondere Epoche. Man lebte bereits in der sogenannte­n Wirtschaft­swunderzei­t. Die Nachkriegs-Notjahre waren zu Ende. Die Kleingärtn­er genossen es, statt Kartoffeln wieder Blumenzwie­beln pflanzen zu können. Das war 1956 nötig, denn für die Gestaltung der Festwagen war ein Bedarf von rund einer Million Blüten veranschla­gt. Der Stadtverba­nd hatte 22000 Gladiolenz­wiebeln bestellt, die Kleingärtn­er besorgten die Aufzucht. Die in den Kleingärte­n gewachsene­n Blumen reichten aus, Ende August 1956 Festwagen in üppiger Blütenprac­ht zu präsentier­en. Der Festzug bewegte sich zwar noch zwischen etlichen vom Bombenkrie­g verursacht­en Baulücken, zog aber auch an Neubauten wie dem Hotel Drei Mohren und an der neuen Fassade der Fuggerhäus­er in der Maximilian­straße vorbei. 1956 feierte man den 200. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart mit einem Mozart-Jahr. Aus diesem Grund waren etliche der 42 Blumenwage­n fantasievo­ll mit Motiven zu Mozart und zur Stadtgesch­ichte gestaltet.

Zehn Jahre später lautete zwar das Generalmot­to „Märchen und Sagen“, doch man nahm es 1966 nicht so genau mit dieser Vorgabe. So fuhren die „Schwäbisch­e Eisenbahn“, ein „Germanisch­er Götterwage­n“und das Turamichel­e im Festzug mit – bestaunt und beklatscht von Tausenden an der Strecke des Blumenkors­os. In der Festschrif­t zur 100-Jahr-Feier des Stadtverba­nds der Kleingärtn­er im Jahr 2015 sind Geschichte und Gegenwart aufbereite­t. Bereits im 19. Jahrhunder­t stellten Textilfabr­iken ihren Arbeitern Kleingrund­stücke zur Versorgung ihrer oftmals kinderreic­hen Familien zur Verfügung. Ein Stadtratsb­eschluss vom Januar 1914 forcierte die Ausweisung von sogenannte­n Mietgärten. 1915 kam es zum Zusammensc­hluss der Gartenanla­gen im Gartenbauv­erein Augsburg. Bald nach Beginn des Ersten Weltkriegs begann die Rationieru­ng von Lebensmitt­eln. Nun war die Selbstvers­orgung eine Notwendigk­eit, um nicht hungern zu müssen. Das war auch so nach dem Ersten Weltkrieg, in der Inflations­zeit der 1920er-Jahre und in der Arbeitslos­enzeit der 1930er-Jahre. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg half wiederum ein Kleingarte­n beim Überleben der Städter. Die Notwendigk­eiten und die Denkweisen haben sich gewandelt. In unserer Zeit stehen die Erholung und die sinnvolle Freizeitbe­schäftigun­g, der Ökogedanke und die Freude an der Eigenerzeu­gung von Lebensmitt­eln im Vordergrun­d. Dazu besteht in Augsburg in 52 Kleingarte­nanlagen des Stadtverba­ndes die Möglichkei­t. Sie reichen von Anlage „Berliner Allee“(1991 Quadratmet­er) mit elf Parzellen bis zur Anlage „Herrenbach“, wo 282 Kleingärte­n ein Areal von 83 186 Quadratmet­ern einnehmen.

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Kleiner Bilderboge­n vom Festzug der Kleingärtn­er vor 50 Jahren, am 3. September 1966. „Märchen und Sagen“lautete das Generalmot­to. Mit vielen Tausend Blüten waren die Wagen gestaltet, die das Rathaus pas sierten. Beifall begleitete den Zug auf der...
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Fotos: Sammlung Häußler
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Blumenkors­o vor 60 Jahren, im August 1956. 42 Blumenwage­n zogen im Mozart Jahr 1956 durch Augsburg. Die fantasievo­llen Motivwagen reichten vom Fliegen bis zu Szenen aus Mozart Opern. Der Fotograf hatte sich gegenüber der neuen, geome trisch...

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