Millionen Blüten für einen prächtigen Korso
Geschichte Augsburgs Kleingärtner begeisterten die Zuschauer vor gut 50 Jahren mit fantasievoll geschmückten Wagen. Warum die Naturliebhaber schon zehn Jahre zuvor Blumenzwiebeln statt Kartoffeln pflanzten
Augsburg 2015 feierte der Stadtverband Augsburg der Kleingärtner sein 100-jähriges Bestehen mit einer Jubiläumsschrift und einem Fest auf der Kleingartenanlage Hirblinger Straße. Die Öffentlichkeit nahm diese 100-Jahr-Feier nicht in dem Maße wahr, wie das ein halbes Jahrhundert zuvor beim 50. Jubiläum der Fall war. Am 4. September 1966 gab es einen großartigen Blumenkorso durch die Innenstadt. Tausende säumten die Strecke, Tausende Farbaufnahmen dokumentieren die prächtigen Wagen. Das 50. Stadtverbandsjubiläum war zwar bereits 1965, doch ein Jahr später war die Tagung des Landesverbandes Bayerischer Kleingärtner in Augsburg angesetzt. Bei dieser Gelegenheit wollten sich die Kleingärtner öffentlichkeitswirksam präsentieren. Dies gelang mit einem Blumenkorso bei schönstem Festzugwetter.
Bereits vor 60 Jahren, vom 24. bis 26. August 1956, fanden ein bayerischer Verbandstag der Kleingärtner und der erste Nachkriegs-Blumenkorso in Augsburg statt. Die 1950er-Jahre gelten als eine besondere Epoche. Man lebte bereits in der sogenannten Wirtschaftswunderzeit. Die Nachkriegs-Notjahre waren zu Ende. Die Kleingärtner genossen es, statt Kartoffeln wieder Blumenzwiebeln pflanzen zu können. Das war 1956 nötig, denn für die Gestaltung der Festwagen war ein Bedarf von rund einer Million Blüten veranschlagt. Der Stadtverband hatte 22000 Gladiolenzwiebeln bestellt, die Kleingärtner besorgten die Aufzucht. Die in den Kleingärten gewachsenen Blumen reichten aus, Ende August 1956 Festwagen in üppiger Blütenpracht zu präsentieren. Der Festzug bewegte sich zwar noch zwischen etlichen vom Bombenkrieg verursachten Baulücken, zog aber auch an Neubauten wie dem Hotel Drei Mohren und an der neuen Fassade der Fuggerhäuser in der Maximilianstraße vorbei. 1956 feierte man den 200. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart mit einem Mozart-Jahr. Aus diesem Grund waren etliche der 42 Blumenwagen fantasievoll mit Motiven zu Mozart und zur Stadtgeschichte gestaltet.
Zehn Jahre später lautete zwar das Generalmotto „Märchen und Sagen“, doch man nahm es 1966 nicht so genau mit dieser Vorgabe. So fuhren die „Schwäbische Eisenbahn“, ein „Germanischer Götterwagen“und das Turamichele im Festzug mit – bestaunt und beklatscht von Tausenden an der Strecke des Blumenkorsos. In der Festschrift zur 100-Jahr-Feier des Stadtverbands der Kleingärtner im Jahr 2015 sind Geschichte und Gegenwart aufbereitet. Bereits im 19. Jahrhundert stellten Textilfabriken ihren Arbeitern Kleingrundstücke zur Versorgung ihrer oftmals kinderreichen Familien zur Verfügung. Ein Stadtratsbeschluss vom Januar 1914 forcierte die Ausweisung von sogenannten Mietgärten. 1915 kam es zum Zusammenschluss der Gartenanlagen im Gartenbauverein Augsburg. Bald nach Beginn des Ersten Weltkriegs begann die Rationierung von Lebensmitteln. Nun war die Selbstversorgung eine Notwendigkeit, um nicht hungern zu müssen. Das war auch so nach dem Ersten Weltkrieg, in der Inflationszeit der 1920er-Jahre und in der Arbeitslosenzeit der 1930er-Jahre. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg half wiederum ein Kleingarten beim Überleben der Städter. Die Notwendigkeiten und die Denkweisen haben sich gewandelt. In unserer Zeit stehen die Erholung und die sinnvolle Freizeitbeschäftigung, der Ökogedanke und die Freude an der Eigenerzeugung von Lebensmitteln im Vordergrund. Dazu besteht in Augsburg in 52 Kleingartenanlagen des Stadtverbandes die Möglichkeit. Sie reichen von Anlage „Berliner Allee“(1991 Quadratmeter) mit elf Parzellen bis zur Anlage „Herrenbach“, wo 282 Kleingärten ein Areal von 83 186 Quadratmetern einnehmen.