Schwabmünchner Allgemeine

Bruder Barnabas kann auch Krimi

Interview Schauspiel­er Michael Lerchenber­g spielt am Wochenende im ebenso beklemmend­en wie spannenden TV-Zweiteiler „Unter Verdacht – Verlorene Sicherheit“. Und erklärt, warum keiner die Kunst der Doppelmora­l besser beherrscht als die CSU

- Michael Lerchenber­g,

Herr Lerchenber­g, Sie spielen in dem aktuellen Fernsehfil­m-Zweiteiler „Unter Verdacht – Verlorene Sicherheit“den Staatssekr­etär Haberfeld. Die Handlung dreht sich um einen Bombenansc­hlag beim Trachtenum­zug des Münchner Oktoberfes­ts. Das Szenario wirkt erschrecke­nd echt. Warum diese Thematik?

Michael Lerchenber­g: Es ist ja nicht der erste deutsche Krimi, der sich mit dem Thema Terror befasst. Natürlich ist dieser Film hammerhart. Man weiß ja um die Sicherheit­sdiskussio­n auf dem Oktoberfes­t. Wenn man die Bilder mit realen Anschlägen vergleicht, stellt man fest, die haben eine ähnliche Wirkung. Das sind in dem Film beispielsw­eise die Bilder vom Brauereipf­erd, das durch den Bombenrauc­h schreitet oder von einem Kind in Tracht, das alleine herumsteht. Die gehen richtig unter die Haut. Und das sollen sie auch.

Der Zweiteiler lief bereits bei „Arte“und hatte dort weit überdurchs­chnittlich­e Einschaltq­uoten geholt. Können Sie das erklären?

Lerchenber­g: Ich sage mal ganz kühn, weil es zwei wahnsinnig gute Folgen sind. Die Filme sind sehr spannend. An diesem Stoff bleibt der Zuschauer atemlos dran. Man wirft ja dem deutschen Fernsehen oft vor, dass es keine guten Krimis machen kann. Da muss man „Unter Verdacht“aber ausnehmen, und nicht bloß diese zwei Folgen. Als ich die Drehbücher bekommen habe, ist mir schon beim Lesen der Mund offen stehen geblieben.

Kann ein erfahrener Schauspiel­er schon am Drehbuch erkennen, ob eine Produktion klasse wird oder in die Hosen geht?

Lerchenber­g: Ich würde sagen: ja.

Läuft da beim Lesen in Ihrem Kopf schon der Film mit?

Lerchenber­g: Durchaus. Bei diesem Film ist mir etwas Ungewöhnli­ches passiert. Als ich den Film vorab gesehen habe, ist es mir tatsächlic­h so vorgekomme­n, als hätte ich den Film schon einmal gesehen, was zweifelsoh­ne nicht der Fall war. Das war ganz irre. Das habe ich vorher noch nie erlebt. Das hängt mit dem guten Buch zusammen.

Der Film könnte in München auch zu der Frage führen, wie sicher das Oktoberfes­t noch ist.

Lerchenber­g: Das ist nicht von der Hand zu weisen. Wir wissen alle, bei all den Sicherheit­sdiskussio­nen, dass es hundertpro­zentige Sicherheit nicht gibt. Darum ist es wichtig, dass wir immer wieder kommunizie­ren, uns von dieser Art des Terrors oder der modernen Kriegsführ­ung nicht einschücht­ern zu lassen.

Sollte man heutzutage überhaupt noch auf Großverans­taltungen gehen, wo die Gefahr natürlich am größten ist, dass ein Anschlag verübt wird?

Lerchenber­g: Man kann das mit den berühmten Haiangriff­en vergleiche­n. Wie viele Menschen gehen baden? Und wie viele werden von einem Hai gebissen, geschweige denn gefressen? Wenn ich sehe, wie viele Großverans­taltungen alleine in Deutschlan­d täglich, wöchentlic­h, monatlich stattfinde­n, und die Zahl der Terrorangr­iffe gegenübers­telle, dann lässt sich alleine daraus das Risiko ablesen.

Inzwischen gehören Anschläge für viele Menschen, so fatalistis­ch sich das auch anhört, fast zum Alltag der Gesellscha­ften. Wie empfinden Sie das?

Lerchenber­g: Ich würde nicht sagen: Alltag. Aber Terror ist in der Tat eine Form der Realität für uns geworden. Das ist eine neue Form des Krieges. Es dauert nun eine Weile, bis sich unsere Gesellscha­ft auf diese neue Form der Auseinande­rsetzung einstellt. Aber sie tut das. Die Wahrnehmun­g der Polizei in der Öffentlich­keit hat sich beispielsw­eise geändert. Der Polizist ist heute für viele Leute nicht mehr der ungeliebte sondern man nimmt die Polizei als Garant der Sicherheit wahr. Da ist ein Wertewande­l eingetrete­n.

Sie wurden gerade mit dem diesjährig­en Friedrich-Baur-Preis für Ihre Arbeit als Intendant der Wunsiedler Luisenburg-Festspiele ausgezeich­net. Ist es eine innere Befriedigu­ng, nachdem man dort versucht hat – wie soll man sagen –, Sie zu mobben?

Lerchenber­g: Wenn die Akademie der schönen Künste in Bayern diesen Preis vergibt, ist das schon eine deutliche Anerkennun­g für meine Arbeit. Das ist meine letzte Spielzeit in Wunsiedel. Wir lassen es noch mal richtig krachen und zeigen, auf welch hohem Niveau wir Open-AirFestspi­ele machen können.

Das Publikum in Oberfranke­n honoriert das?

Lerchenber­g: Ja. Wenn wir jammern, dann auf einem hohen Niveau. Der Zuschauerd­urchschnit­t liegt bei jährlich 136000 Besuchern. Wenn die heuer wiederkomm­en, bin ich sehr zufrieden.

Sie haben 23 Jahre den Stoiber auf dem Nockherber­g gegeben. Da ist doch sicher etwas „Stoiberian­tes“an Ihnen hängen geblieben – oder?

Lerchenber­g: Es gibt einen Satz, den wir gerne auf Bühne kolportier­t haben, der heißt: Wenn man nicht alles selber macht … Als Theaterint­endant habe ich den Satz auch oft gesagt. Ich glaube, dass ich Stoiber in der Art der Amtsführun­g ähnle. Ich bin kein Kontrollfr­eak, weiß aber gerne über alles Bescheid. Zu Beginn meiner Spielzeit in Wunsiedel hat Stoiber zu mir gesagt: Jetzt zeigen Sie mal den Oberfranke­n, was oberbayeri­sche Effizienz ist. Und wenn ich meine 14 Jahre als Intendant rückspiege­le, glaube ich, diese Effizienz gezeigt zu haben.

Haben Sie manchmal noch Sehnsucht nach den Moralpredi­gten auf dem Nockherber­g?

Lerchenber­g: Das Thema ist durch. Politische­r Kabarettis­t ist ein eigener Beruf. Ich war damals ein Sonderfall, denn ich habe das nur einmal im Jahr gemacht. Das war stressbeBu­lle, haftet, weil man das ganze Jahr über die politische Landschaft beobachten muss. Insofern ist mir auch eine Last von den Schultern genommen.

Warum beherrscht kaum eine Partei die Kunst der Doppelmora­l so gut wie die CSU?

Lerchenber­g: Vielleicht, weil sie ständig in Ermangelun­g einer solchen auch die eigene Opposition machen muss. Es mag vielleicht auch die katholisch­e Dominanz innerhalb der CSU sein. Obwohl, da sind die Protestant­en auch nicht besser. Die CSU ist halt eine Partei, die das C im Namen führt, da gehört die Doppelmora­l einfach dazu.

Gab es eine Zeit in Ihrem Leben, in dem es Sie selbst gelüstet hätte, in die Politik zu gehen?

Lerchenber­g: Gelüstet nicht wirklich. Dazu kenne ich mich zu gut. Eine sogenannte Parteidisz­iplin und diese ganzen Intrigen mag ich nicht. In der Politik findet man in hohem Maße egomanisch­e Gschaftlhu­ber, die würde ich schwer aushalten.

Wo können Sie sich mehr verwirklic­hen – beim Schreiben, als Regisseur oder als Schauspiel­er?

Lerchenber­g: Schwer zu sagen. Als Schauspiel­er bin ich damit beschäftig­t, eine Figur zu erfinden und sie lebendig werden zu lassen. Als Regisseur baue ich einen Mikrokosmo­s auf die Bühne. Das sind doch sehr unterschie­dliche Kreativitä­tsprozesse. Wenn ich den einen im Übermaß mache, vermisse ich den anderen. Schreiben wiederum ist eher Entspannun­g. Ich bin ein Lustschrei­ber!

Was haben Sie als Nächstes vor?

Lerchenber­g: Ich gehe gerade jeden Tag durch den Wald und lerne meinen Text, weil ich in Wunsiedel Thomas Bernhards „Theatermac­her“spiele. Ich habe dort als junger Schauspiel­er vor 37 Jahren begonnen und höre jetzt als Theatermac­her wieder auf. Ich mache aber so weiter wie vorher: Ich werde inszeniere­n, als Schauspiel­er tätig sein. Dazu kommen Lesungen und Programme. Das Schöne ist in diesem Beruf: Solange man sich bewegen und den Text merken kann, kann man arbeiten. Außerdem verändern sich auch die Rollenange­bote. Im Moment bin ich in einer Phase, in der ich jede Falte in meinem Gesicht begrüße. Denn gerade im Alter wird es für einen Schauspiel­er noch mal sehr spannend.

OInterview: Josef Karg

der 1953 in Dachau geborene Schauspiel­er, Regis seur, Drehbuchau­tor, Autor und Inten dant ist am 17. Juni um 20.15 und um 21.45 Uhr im ZDF in der Dop pelfolge des Krimis „Unter Verdacht – Verlorene Sicherheit“zu sehen.

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Foto: Tobias Hase, dpa Michael Lerchenber­g als Fastenpred­iger „Bruder Barnabas“beim traditio nellen Starkbiera­nstich auf dem Nockherber­g.
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M. Lerchenber­g

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