Schwabmünchner Allgemeine

Gute Aussichten auf dem Zahnarztst­uhl

Medizin Wenn der Bohrer surrt, bekommen viele Menschen Angstzustä­nde. Eine britische Studie zeigt, wie eine virtuelle Wanderung an der Küste Abhilfe schaffen kann

- VON MARKUS BÄR

trotz einer Art Mini-Wiesn ein hochkaräti­ges Segelfest zu stemmen haben. Borowski säuft trotzdem Rotwein, Brandt schluckt ihre angstlösen­den Tabletten. Man hätte sich einen schöneren Abschied für Sibel Kekilli gewünscht, die mit dieser Folge ihre „Tatort“-Karriere beendet.

ORupert Huber

Info Dies ist der letzte neue „Tatort“vor der Sommerpaus­e. Nächsten Sonn tag, 20.15 Uhr, gibt es bereits die erste „Tatort“Wiederholu­ng, der weitere folgen. Wir setzen unsere Vorabkriti­ken fort, wenn es ab Spätsommer neue Fol gen gibt. Augsburg Schon in der Antike und im Mittelalte­r haben die Menschen Schweißaus­brüche bekommen, wenn sie an einen bevorstehe­nden Besuch beim Zahnreißer oder Bader dachten. Als dann ab dem 19. Jahrhunder­t Lachgas zur Betäubung und später ab 1905 Procain zur Lokalanäst­hesie eingesetzt wurde, schmälerte dies den Schrecken sicherlich ein wenig. Aber selbst heute im 21. Jahrhunder­t führt ein anstehende­r Zahnarztbe­such immer noch nicht automatisc­h zu Freudentau­mel. Doch vielleicht ändert sich dies nun. Immer versierter werden nämlich die Ablenkungs­methoden, die Zahnärzte einsetzen, um ihren Patienten die Angst vor dem Surren des Bohrers zu nehmen.

In manchen Praxen werden gar Videobrill­en eingesetzt, mit denen die Menschen in andere Welten oder Landschaft­en versetzt werden. Eine britische Studie belegt nun, dass insbesonde­re ein virtueller Spaziergan­g an der Küste hilft, die gefürchtet­e Tortur im Zahnarztst­uhl zu überstehen. Wissenscha­ftler der Universitä­t im südwesteng­lischen Plymouth haben insgesamt 70 Zahnarzt-Patienten in drei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe durfte während der Behandlung mithilfe einer Video-Brille an der Küste von Wembury im Süden von Plymouth unterwegs sein. Die Probanden konnten dabei selbst steuern, wohin sie in der virtuellen Realität gehen.

Die zweite Gruppe erkundete auf ähnliche Weise eine städtische Umgebung. Eine dritte Gruppe musste ohne virtuelle Realität auskommen. Die Behandlung, die eine Füllung, die Entfernung eines Zahnes oder beides umfasste, dauerte nicht mehr als 30 Minuten, wobei alle Teilnehmer örtlich betäubt wurden.

Nach dem Eingriff mussten die Patienten den Schmerz und den Stress, den sie während der Behandlung hatten, bewerten. Das Resultat: Diejenigen, die am Strand entlang spazierten, waren weniger gestresst und hatten weniger Schmerzen als die Probanden mit virtuellem Rundgang in der Stadt und als die Patienten ohne Sonderbeha­ndlung.

Auch eine Woche nach dem Eingriff erinnerten sich die Studientei­lnehmer, die per Videobrill­e an den Strand geschickt worden waren, positiver an ihren Zahnarztbe­such zurück: Sie stuften ihren Schmerz viel schwächer ein. Zudem wurde die Küstenregi­on attraktive­r, erholsamer und stärkender eingeschät­zt als die urbane Umgebung. „Es reicht nicht aus, den Patienten nur abzulenken“, sagt Sabine Stahl, eine CoAutorin der Studie. „Vielmehr muss die Umgebung einladend und entspannen­d sein.“

Ist eine solche virtuelle Wanderung nun so eindrucksv­oll, dass man sich künftig gar auf den Zahnarzt freut? Das mag die Zukunft zeigen. Standard ist die Videobrill­e in den meisten Praxen natürlich noch nicht. Manche Zahnärzte lassen auch einen Film in einem TV-Gerät an der Praxisdeck­e laufen, um ihre Patienten abzulenken. Dem einen Patienten mag Karate-Action helfen, dem anderen etwa Rosamunde Pilcher-Schmonzett­en oder Dokus über künftige Mondlandun­gen. Von dem Konsum des Films „Der Marathon-Mann“mit Dustin Hoffmann sei an dieser Stelle aber abgeraten. Wer erinnert sich nicht an jene schauerlic­he Stelle, als ein alter Nazi-Zahnarzt Hoffmann ohne Betäubung im Mund herumbohrt­e. Dieser Streifen wäre vielleicht die falsche Ablenkung.

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Foto: University of Plymouth, dpa So sieht die virtuelle Küstenland­schaft aus, durch die Teilnehmer der britischen Studie streifen durften. Die Wanderung am Meer ließ die Patienten den Stress auf dem Zahn arztstuhl gut überstehen.
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Foto: Sabine Pahl, dpa Während die Zahnärztin ihre Arbeit ver richtet, ist dieser Patient per Videobrill­e in einer ganz anderen, virtuellen Realität unterwegs.
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Foto: NDR/Christine Schroeder Letzter gemeinsame­r Auftritt: Borowski (Axel Milberg, links) und Brandt (Sibel Kekilli).

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