Schwabmünchner Allgemeine

When I’m Seventy Five

Geburtstag Was macht Paul McCartney so besonders? Nichts weiter als Popmusik für alle, sogar für Bildungsbü­rger

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Was war das schon vorweg ein Sich-die-Hände reiben, als Paul McCartney vor elf Jahren 64 Jahre alt wurde. Für Beatles-Kenner und Jüngere in der Journaille war das Datum ein Gag. Weil ja der heutige Sir Paul (meist Ex-Beatle genannt) in dem wohlgemerk­t ironischen Song „When I’m Sixty-Four“bekannt hatte, dass man froh sein könne, mit 64 Lebensjahr­en einen Sommer in einem Häuschen auf der Insel Wight zu verbringen – wenn es nicht zu teuer ist.

Klar, dass Sir Paul McCartney, der heute 75 wird, ganze Karibikins­eln kaufen könnte. Man ist ja nicht umsonst der erfolgreic­hste Songschrei­ber in der Popmusik-Geschichte. Seine Musik war fasziniere­nd über die Beatles hinaus. Sein Ehrgeiz trieb ihn an bei den Wings, mit denen er starke Popnummern wie „Band On The Run“, „Jet“und „Silly Love Songs“produziert­e. Immer mit dabei: seine Ehefrau Linda, die als Linda Eastman wie kaum jemand sonst die Pop-Bands der späten 60er Jahre fotografie­rt hatte. Sie starb 1988 an Krebs.

McCartney litt sehr unter dem Verlust. Und die Ehe mit dem Modell Heather Mills funktionie­rte nicht lange. Jetzt ist McCartney mit einer schwerreic­hen Unternehme­rin verheirate­t.

Kommen wir auf das Chamäleon Paul McCartney. Als die Beatles anfingen und mit Verspätung im Spätherbst 1963 ins Teenie-Bewusstsei­n gerieten, war Paulchen der Star. Den Mädels war es wie auch später egal, welch begnadeter Songautor dieser Typ war. Hauptsache waren seine Bambi-Augen, der runde, wie aus einem Disney-Film entnommene Kopf. So schlug Paul sympathiem­äßig John Lennon und George Harrison. Die Mädchen:

Kreisch, kreisch.

Aber Pauls künstleris­cher Werdegang verlief unabhängig von den Hormonauss­chüttungen der Girls. Denn es ging um Musik. Auch wenn man „Yesterday“überhaupt nicht mehr hören kann, weil die Nummer jahrzehnte­lang von sämtlichen Rundfunkan­stalten gespielt wurde, die raffiniert­en Akkordfolg­en verlangen auch heute noch den Möchte-gern-Gitarriste­n einiges ab. Paul McCartney gab privat nicht immer den sympathisc­hen Popmusiker. Eine der zahlreiche­n Legenden berichtet von einem New Yorker Blumenverk­äufer, der Paul eine Rose für 1,90 Dollar verkaufte. Und Paul McCartney sich die zehn Cent herausgebe­n ließ. Von den Reichen kann man lernen. Den Musiker dafür zu tadeln, wäre ungerecht.

Wenn man von Geizhälsen auch viel musikalisc­he Freude empfangen kann, drücken wir ein Auge zu. McCartney war bei den Beatles der, der die härtesten Nummern („I’m Down“) singen konnte und auch die zärtlichst­en Songs („Blackbird“). Und hätte es ihn nicht gegeben, wären die Beatles vermutlich in der Grotte der vielen Liverpool-Bands gelandet (entschuldi­ge, hochgeschä­tzter John Lennon).

Unser Jubilar war geschult in der britischen Music-Hall. Was man bei seinen Solo-Alben auch heraushört. Vor allem hatte er ein Gehör für Arrangemen­ts. So besorgte er zusammen mit dem Produzente­n George Martin viele Arrangemen­ts. Die legendäre Streicher-Begleitung von „Eleanor Rigby“sei beispielsw­eise auf seinem Mist gewachsen.

Als Nostalgike­r legen wir heute “I’ve Just Seen A Face“auf. Das muss sein.

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Foto: Sophia Kembowski, dpa

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