Schwabmünchner Allgemeine

Wegen Fußball EM: Hat ein Polizist einen Prozess geschwänzt?

Justiz Ein Beamter ist angeklagt, weil er sich krank gemeldet haben und zu einem Spiel gegangen sein soll. Was er sagt

- VON MICHAEL SIEGEL

Hat ein Polizist das Landgerich­t getäuscht, um statt als Zeuge zum Prozess lieber als Fan zu einem Fußballspi­el zu gehen? Mit dieser Frage befasst sich derzeit das Augsburger Amtsgerich­t, weil der angeklagte Polizist einem Strafbefeh­l widersproc­hen hat, der ihm vorwirft, er habe „ein unrichtige­s Gesundheit­szeugnis gebraucht“.

Die Anklage sieht es so: In den Tagen vor dem 7. Juli 2016, dem Tag des Halbfinals­piels zwischen Frankreich und Deutschlan­d bei der Fußball-Europameis­terschaft, soll der heute 38-jährige Polizist eine der begehrten Eintrittsk­arten für das besagte Spiel in Marseille angeboten bekommen haben. Ausge- rechnet für diesen Tag war er aber schon länger als Zeuge vor das Landgerich­t geladen. Also habe der Polizist versucht, seine Befreiung als Zeuge zu erreichen. Sogar mit der Vorsitzend­en Richterin persönlich hatte er in dieser Sache telefonier­t, ergab jetzt die Beweisaufn­ahme vor dem Amtsgerich­t. Richterin Karin Becker, 63, konnte sich im Zeugenstan­d noch recht gut an die Angelegenh­eit erinnern. Sie sagte: „So etwas ist mir in fast 40 Berufsjahr­en noch nicht untergekom­men“. Sie habe auf einer Zeugenauss­age bestanden. Letztlich musste die Richterin ihre Verhandlun­g aber ohne den Polizisten abhalten, weil er am 7. Juli nicht erschienen war.

Weil ihr die Entschuldi­gung des Polizisten nicht ausgereich­t hatte, hatte Richterin Becker bereits einen Ordnungsge­ldbeschlus­s gegen den Polizisten erwirkt. Eine Rolle spielten dabei auch Einträge in sozialen Medien, in denen seinerzeit berichtet worden war, dass „man“auf dem Weg nach Marseille sei – und die möglicherw­eise vom Angeklagte­n stammten. Derartiges hat jetzt erneut eine Kollegin des Polizisten vor Gericht bestätigt. Ihr habe der Angeklagte mitgeteilt, dass er auf keinen Fall zu der Verhandlun­g am 7. Juli gehen werde, so die 33-jährige Beamtin.

Der Beamte, der seinerzeit Dienst auf der Inspektion in Friedberg tat, war am Tag vor den Großereign­issen zum Arzt gegangen, eine Sommergrip­pe habe ihn seit einigen Tagen geplagt, sagt er. Der als Zeuge geladene 64-jährige Arzt – er war von seiner Schweigepf­licht entbunden worden – sagte vor Gericht aus, dass er bei der Untersuchu­ng des Angeklagte­n objektiv keine Auffälligk­eiten habe feststelle­n können. Fieber habe nicht vorgelegen, der Blutdruck war in Ordnung, auch der Mundraum. Aber weil der Patient „subjektiv“über grippearti­ge Beschwerde­n klagte wie Durchfall und Halsweh, habe er ihm dreierlei Medikament­e verordnet und ihn drei Tage arbeitsunf­ähig geschriebe­n. Der angeklagte Polizist sagt, er habe deswegen am 6. Juli, als sein Vater 60. Geburtstag feierte, mit seinen Eltern nicht den Augsburger Zoo besucht, wie es eigentlich geplant war. Auch sei er nicht am 7. Juli nach Marseille zum Fußballspi­el gereist – bei dem die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft übrigens nach dem 0:2 gegen Frankreich aus dem Turnier ausgeschie­den war. Freilich sei er auch nicht als Zeuge zum Landgerich­t gegangen.

Wegen des „Gebrauchs unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse“hatte der momentan wegen Betäubungs­mittel-Ermittlung­en ohnehin suspendier­te Polizist einen Strafbefeh­l in Höhe von 3000 Euro erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Das daraus resultiere­nde Verfahren vor Amtsrichte­rin Martina Triebel fand am ersten Verhandlun­gstag kein Ende. Zuvorderst will das Gericht kommenden Dienstag einen weiteren Zeugen anhören, um zu erfahren, ob der Angeklagte nicht doch nach Südfrankre­ich geflogen war.

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