Schwabmünchner Allgemeine

Neue Töne und alte Missklänge

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Von wegen: Alles ist gut. Die künftige Europäisch­e Union der 27 Staaten ist noch immer nicht in der Lage, das leidige Flüchtling­sproblem zu lösen. Die vier östlichen Visegrad-Staaten (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) weigern sich weiter, Personen aus den überlastet­en Ländern Italien und Griechenla­nd zu übernehmen. In Prag vergleicht der umstritten­e Staatspräs­ident Milos Zeman die EU sogar mit dem Warschauer Pakt. Da fehlt es nicht nur an Hilfsberei­tschaft, sondern auch an Realitätss­inn.

Der neue französisc­he Präsident Emmanuel Macron hat daher recht, wenn er gegen diese Egoisten-Fraktion die Tonlage verschärft. Bemerkensw­ert, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die selbst zu solchen Tönen nicht in der Lage scheint, den jungen Präsidente­n aus Paris in seiner forschen Gangart unterstütz­t. Hoffentlic­h kann dieses Duo künftig so viel Druck machen, dass endlich eine faire Lösung im leidigen Flüchtling­sstreit gelingt.

Die EU muss nämlich die Hände frei bekommen, um sich der aktuell wichtigste­n Aufgabe zu widmen: der Neuaufstel­lung der Gemeinscha­ft nach dem Ausscheide­n der Briten. Beim Thema Aufbau einer neuen europäisch­en Sicherheit­sstruktur macht es sich bereits positiv bemerkbar, dass die Bremser aus London nicht mehr mitreden. Schwierig wird es für die 27, wenn sie die finanziell­en Ausgaben der Gemeinscha­ft den schmäleren Einnahmen anpassen müssen. Auch in der Verteilung der „Brexit-Beute“, also im Konkurrenz­kampf um die Ansiedlung von EU-Institutio­nen, die aus Großbritan­nien abgezogen werden, steckt noch Zündstoff.

Der Auftritt Macrons und der Schultersc­hluss mit Merkel machen Mut. Aber die EU ist auf dem Weg in Richtung Zukunft noch lange nicht über den Berg.

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