Schwabmünchner Allgemeine

Warum es eine Udo Lindenberg Schule gibt

Umbenennun­g Eine Mittelschu­le in Unterfrank­en trägt seit dieser Woche den Namen des Sängers. Wäre dann auch eine Lukas-Podolski-Schule oder ein Günther-Jauch-Gymnasium möglich? Welche Voraussetz­ungen es für Schulnamen gibt

- VON JAKOB STADLER

Augsburg Am Ende seiner Videobotsc­haft zieht Udo Lindenberg die Sonnenbril­le aus. Die Schüler der Mittelschu­le im unterfränk­ischen Mellrichst­adt seien „echte Pioniere“, sagt der Musiker. Sie gehen seit dieser Woche ganz offiziell in die Udo-Lindenberg-Schule. Der stolze Namenspatr­on stellt fest: „Das gab es ja noch nie.“Denn die Lindenberg­schule in Kempten ist nicht nach ihm benannt – und heißt genau genommen Mittelschu­le auf dem Lindenberg. Die Verantwort­lichen in Mellrichst­adt erklären, sie hätten den Musiker ausgewählt, wegen der Werte, die er verkörpert: Individual­ität, Weltoffenh­eit und Mut. Die Idee entstand, als mehrere Flüchtling­e an die Schule kamen, erklärt Konrektor Achim Libischer. „Wir hatten wirklich ein Problem mit Ausländerf­eindlichke­it.“Lindenberg habe immer für Toleranz gestanden, sei ein Pionier in Sachen politische­r Texte. Andere Namen waren daher gar nicht im Gespräch.

Besonders ist der Fall schon deshalb, weil eine Schule nach einer lebenden Person benannt wurde. Das ist unüblich, in Bayern war es sogar lange nicht möglich. Erst 2005 wurde die Richtlinie abgeschaff­t. Ähnlich ist das auch in anderen Bundesländ­ern, Ausnahmen gibt es aber. Besonders häufig bei Helmut Schmidt. Nach dem – mittlerwei­le gestorbene­n – Altkanzler wurden bereits zu Lebzeiten mehrere Schulen benannt.

Die Namenswahl einer Schule löst immer wieder Streit aus. In Pullach bei München etwa, als die Gemeinde ihr Gymnasium 2013 nach dem kurz zuvor gestorbene­n Ottfried Preußler benannte. Mehrere Gemeinderä­te empfanden einen Kinderbuch­autor für ein Gymnasium als unpassend. In Neu-Ulm sorgte der Name der Mark-TwainGrund­schule, die im September 2018 öffnen soll, für Kritik. Die Schule entsteht in einem Areal, in dem einst die US-Armee stationier­t war – daher soll sie nach dem amerikanis­chen Autor benannt werden. Kritiker wünschten sich den Namen einer lokalen Berühmthei­t, im Idealfall einer Frau. Und das ehemalige Wernher-von-Braun-Gymnasium heißt seit 2014 nur noch Staatliche­s Gymnasium Friedberg – denn der Raketenpio­nier von Braun war an NS-Verbrechen beteiligt.

Die Namensgebu­ng von Schulen ist in Bayern im Gesetz über das Erziehungs­und Unterricht­swesen festgelegt. In Mellrichst­adt seien die nötigen

Zustimmung­en von Lehrerkonf­erenz, Schülermit­verantwort­ung und Elternbeir­at

„keine große

Hürde“gewesen, sagt Konrektor Libischer. Danach muss die entspreche­nde Kommune ebenfalls ihr Okay geben – weil die Schule in Mellrichst­adt zu einem Schulverba­nd gehört, waren es sogar elf Gemeinden. Doch die Entscheidu­ng fiel einstimmig aus. Zuletzt wird der Schulträge­r gefragt. Bei der staatliche­n Mittelschu­le ist das die Regierung von Unterfrank­en. Bei einem staatliche­n Gymnasium würde hingegen das Kultusmini­sterium entscheide­n. Das teilt mit: „Was im Einzelnen als Name verwendet werden kann, ist gesetzlich nicht geregelt.“Vonseiten der Regierung von Unterfrank­en heißt es, die Regierung entscheide „nach schulische­n und öffentlich­em Interesse“. Man habe keine Gründe gesehen, die Schule nicht so zu nennen.

Libischer sagt, bei einer lebenden Person sei das ein Vertrauens­vorschuss. Man müsse sicher sein, dass die Person ihre Einstellun­gen und ihr Auftreten nicht ändert. Bei Lindenberg sei das aber keine Gefahr: „Er kämpft seit 45 Jahren für die gleiche Sache.“Doch zeitweise war unklar, ob sich der Musiker mit Drogen- und Alkoholver­gangenheit als Namenspatr­on eignet. Weil am Flughafen eine Pistole in seinem Koffer gefunden wurde, ermittelte­n die Behörden. Lindenberg sagte, die Waffe gehöre seinem Bodyguard. Die Umbenennun­g lag auf Eis, bis das Verfahren eingestell­t wurde.

In Mellrichst­adt war Lindenberg bisher noch nicht – aber bei einem Treffen mit einigen Schülern erklärte er, er wolle bald vorbeikomm­en. Auch wenn Libischer der Besuch freuen würde, erklärt er: „Das steht nicht im Vordergrun­d.“Ziel der Aktion sei ja kein Konzert. Die Namenswahl sei etwas Nachhaltig­es.

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Foto: Charisius, dpa Udo Lindenberg

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