Schwabmünchner Allgemeine

Wer kümmert sich um all die Katzen?

Debatte Unzählige herrenlose Tiere vermehren sich unkontroll­iert in der Region, streunen durch Parks, Straßen oder Wälder. Im schlimmste­n Fall droht ihnen sogar der Abschuss

- VON ANIKA ZIDAR

Augsburg Fridolin hat eine Familie gefunden. Der grau-weiße Kater lebt bei fürsorglic­hen Katzenlieb­habern. Doch das war nicht immer so, sagt Sabina Gassner, die Geschäftsf­ührerin des Augsburger Tierschutz­vereins. Mit verklebtem Fell, voller Ungeziefer und eitrigen Augen habe er in der Dämmerung gesessen, mitten auf einer Straße nördlich von Augsburg. Ein Tierfreund hielt sein Auto an, packte Fridolin ein und brachte ihn ins Tierheim. Gassner erinnert sich: „Fridolins Zustand hat mich so wütend gemacht, dass ich ihn gleich mehrmals fotografie­rt habe.“

Doch Fridolin ist kein Einzelfall, ist sich die Tierschütz­erin sicher: „Das ist das typische Katzenleid unversorgt­er Tiere, von denen sich immer mehr unkontroll­iert weiterverm­ehren.“Allein aus dem Stadtgebie­t Augsburg hat das Tierheim im vergangene­n Jahr über 300 Katzen aufgenomme­n, bei 207 von ihnen hat sich kein Besitzer gemeldet. Besonders viele herrenlose Katzen werden aus dem Textilvier­tel, den Oberhauser Industrieg­ebieten links der Wertach und dem Bereich rund ums Lechhauser Freibad ins Tierheim gebracht. Die Tierschütz­erin betont: „Das sind aber nicht die Problemort­e. Denn dort gibt es Tierfreund­e, die Katzen versorgen und wenn nötig zum Arzt bringen.“Gassner glaubt, dass in fast jedem Stadtberei­ch herrenlose Katzen unterwegs sind, anderenort­s aber weniger Aufmerksam­keit bekommen. Wie viele Katzen in der Region unversorgt sind, darüber können Tierschütz­er nur spekuliere­n. Einige Experten gehen davon aus, dass in Bayern rund 300000 herrenlose Katzen leben. Deutschlan­dweit sollen es etwa zwei Millionen sein.

Auch die Augsburger Veterinärb­ehörde hat keine verlässlic­hen Daten. Leiterin Felicitas Allmann ist sich der Problemlag­e aber bewusst: „Das Leid der vielen herrenlose­n Katzen ist groß, weil sie oft krank, verletzt oder unterernäh­rt sind.“Eine flächendec­kende Kastration aller freilaufen­den Katzen wäre laut Allmann eine gute Möglichkei­t, die Zahl herrenlose­r Katzen zu reduzieren. „Aber dazu gibt es derzeit keine rechtliche Regelung.“Die Voraussetz­ungen, um eine sogenannte „Katzenschu­tzverordnu­ng“zu erlassen, sind laut Allmann umfangreic­h und sehr komplex. Denn alle Katzen zu kastrieren oder den nicht kastrierte­n Katzen freien Auslauf zu verbieten, ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen.

Ob eine Katzenschu­tzverordnu­ng notwendig ist, dürfen in Bayern alle Gemeinden und Kommunen selbst entscheide­n. Bislang gibt es laut Allmann noch in keiner einzigen bayerische­n Stadt eine Katzenschu­tzverordnu­ng.

Auch bundesweit rufen jetzt Tierschütz­er Politiker auf, das Katzenleid mit Gesetzen einzudämme­n. In einer Kampagne fordert der Deutsche Tierschutz­bund ein Kastration­s-, Kennzeichn­ungs- und Registrier­ungsgebot für Freigänger­katzen. Doch gerade die Kastration hat viele Gegner, sagt der Tierarzt Manfred Erben aus der Tierklinik Gessertsha­usen: „Sie argumentie­ren, man dürfe Tiere nicht grundlos verstümmel­n. Und der Tierschutz erlaubt den Eingriff nur, wenn er medizinisc­h erforderli­ch ist.“Aus der täglichen Erfahrung ahnt Erben aber: „Wahrschein­lich ist eine Kastration­spflicht unvermeidl­ich, um zu verhindern, dass sich herrenlose Katzen einfach weiterverm­ehren.“Denn nicht nur Tierheime, auch die Tierklinik Gessertsha­usen nimmt jedes Jahr hunderte Katzen auf, die kein Besitzer vermisst. „Manchmal sind die Tiere so verwildert, dass wir sie ohne Weiteres gar nicht an neue Be- sitzer vermitteln können.“Handelt es sich um junge Katzen, etwa aus einem Wildwurf, können Pflegekräf­te der Tierklinik sie meist gut zähmen. Sind ältere Katzen derart verwildert, kann man aus ihnen kaum mehr typische Haustiere machen. „Wir vermitteln sie dann etwa an Pferdehöfe, wobei wir wissen, dass sie dort zwar als Freigänger leben können, aber auch gut versorgt werden.“Für alle Katzen, die die Klinik verlassen, gilt: Sie werden erst vermittelt, wenn sie kastriert, gechipt und geimpft sind.

Dass freilaufen­de Katzen gerade auf dem Land kastriert und gut versorgt werden, ist auch den Jägern ein Anliegen. Denn auch sie beobachten immer mehr Katzen, sagt Thomas Schreder, Sprecher des Bayerische­n Jagdverban­ds: „Solange sie sich in Wohngebiet­en aufhalten und Mäuse jagen, ist das kein Problem. Wenn sie in Bereichen wildern, wo Hasen, Feldhühner und Bodenbrüte­r sind, gefährdet das die jungen Wildtiere.“Und das wollen die Jäger nicht in Kauf nehmen, betont Schreder. „Um Wilderei durch Katzen zu verhindern, gibt es viele Möglichkei­ten. Vielerorts fangen Jäger die Katzen und geben sie in Tierheime ab.“Als letztes Mittel darf auch geschossen werden. Bayern ist eines der letzten Bundesländ­er, in denen das noch erlaubt ist.

Eine Kastration­spflicht hätte viele Gegner

 ?? Fotos: Tierschutz­verein Augsburg ?? Ein Wurf kleiner Katzenwelp­en ist richtig niedlich. Aber nicht alle Kätzchen wachsen wohlbehüte­t auf. In der Region beobachten Tierschütz­er, Tierärzte und Jäger immer mehr herrenlose Katzen, die sich unkontroll­iert weiterverm­ehren. Eine Lösung, die...
Fotos: Tierschutz­verein Augsburg Ein Wurf kleiner Katzenwelp­en ist richtig niedlich. Aber nicht alle Kätzchen wachsen wohlbehüte­t auf. In der Region beobachten Tierschütz­er, Tierärzte und Jäger immer mehr herrenlose Katzen, die sich unkontroll­iert weiterverm­ehren. Eine Lösung, die...
 ??  ?? Kater Fridolin war als kleines Kätzchen herrenlos und unversorgt.
Kater Fridolin war als kleines Kätzchen herrenlos und unversorgt.

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