Schwabmünchner Allgemeine

Das Opfer des U Bahn Treters spricht

Der Alltag der 26-Jährigen ist aus den Fugen geraten. Der Täter wendet sich direkt an sie

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Berlin Die Studentin wird durch einen Seiteneing­ang in den Gerichtssa­al geführt. Der Blick der zierlichen Frau, die ihre dunklen Haare elegant zu einem Dutt gebunden hat, geht kurz zu dem Mann auf der Anklageban­k hinter Panzerglas. Acht Monate nach seinem brutalen Tritt auf einer Berliner U-BahnTreppe sitzt das Opfer Jana K. am Donnerstag dem Täter erstmals gegenüber.

„Ich bin mit voller Wucht gestürzt“, sagt die 26-Jährige als Zeugin vor dem Landgerich­t der Hauptstadt. Der Sturz kam wie aus dem Nichts. „Ich konnte es mir zuerst nicht erklären, ich hatte vorher keine Personen gesehen.“Der 28-jährige Mann hatte – so belegen es die Aufnahmen von Überwachun­gskameras – in der Nacht zum 27. Oktober 2016 die Frau von hinten angegriffe­n. Die arglose Passantin befand sich gerade auf einer Treppe im Bahnhof Hermannstr­aße im Stadtteil Neukölln, als er zutrat. Sie stürzte die Betontrepp­e hinab – mit dem Gesicht voran und mit ausgestrec­kten Armen. Die willkürlic­he Brutalität hatte bundesweit Entsetzen und Empörung ausgelöst.

Die Zeugin wirkt vor Gericht zurückhalt­end. „Ich war auf dem Weg nach Hause“, beginnt sie leise zu erzählen. Sie habe die Kapuze aufgesetzt und über Kopfhörer Musik gehört. „Meine Umwelt habe ich nicht richtig wahrgenomm­en.“Dann der Sturz, als sie mitten auf der Treppe war. „Es ging so schnell.“

Sie habe nach dem Aufprall Blut am Kopf bemerkt, konnte sich nicht erklären, was passiert war. „Jemand kam und sagte, man hätte mich geschubst.“Ein Arm gebrochen, am Kopf eine Platzwunde, außerdem Hämatome: Andere Fahrgäste kümmerten sich um die verletzte junge Frau. Ihre Wunden wurden ambulant in einem Krankenhau­s behandelt. Die seelischen Folgen führten dazu, dass sich die Studentin in der ersten Zeit zurückzog. „Der normale Alltag war erst einmal weg, ich konnte auch nicht studieren.“Etwa vier Monate sei sie „neben der Spur“gewesen. Und bis heute wirkt es nach: „Es ist nicht mehr die Unbefangen­heit.“

Der Angeklagte, ein dreifacher Familienva­ter aus Bulgarien, hatte zu Prozessbeg­inn ein Geständnis abgelegt. Er sei der Mann auf den Bildern, mit denen die Polizei nach dem Täter gefahndet hatte. Doch er könne sich nicht an die Tat erinnern. Er sei berauscht gewesen. Die Anklage lautet auf gefährlich­e Körperverl­etzung – bis zu zehn Jahre Haft drohen ihm.

Kaum ist die Aussage der Geschädigt­en beendet, steht der Angeklagte auf. Er kreuzt die Hände vor der Brust und sieht in Richtung der Studentin. „Es tut mir sehr leid, dass ich dir die Schmerzen zugefügt habe, ich entschuldi­ge mich“, sagt er mit weinerlich­er Stimme.

Die Anwältin der Geschädigt­en und Nebenkläge­rin Jana K. sagt, ihre Mandantin könne die Entschuldi­gung derzeit nicht annehmen – „solange er nicht bereit ist, selbst Verantwort­ung zu übernehmen“. Am kommenden Montag wird der Prozess in der Hauptstadt fortgesetz­t.

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Foto: Paul Zinken, dpa „Ich bin mit voller Wucht gestürzt“, erzählt die Frau, die an der Berliner U Bahn Station Hermannstr­aße Opfer der Attacke wurde.

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