Schwabmünchner Allgemeine

Eine Familie zwischen drei Kontinente­n

In Augsburg hatten sie ein Spirituose­ngeschäft. Dann ging alles zugrunde

- Fischach

Jakob Demmel (Jahrgang 1925) erinnert sich genau an die Familie seiner Nachbarn: Emil Eichengrün (Jahrgang 1900) hatte schon ein Auto, damals, in den Dreißigerj­ahren des vorigen Jahrhunder­ts. Drei Söhne hatte er, als er noch in Fischach lebte, darunter Paul und Arthur, die etwas jünger waren als Jakob Demmel.

Der Fischacher Bub wurde von Emil Eichengrün am Wochenende immer mal wieder zu einer Spritztour eingeladen, mal nach Bad Wörishofen, mal zu einem Flugtag auf dem Lechfeld. Emil Eichengrün hatte in Fischach, dem Heimatort seiner Familie, eine kleine Spirituose­n-Herstellun­g, in der Augsburger Ludwigstra­ße war sein Geschäft. Dort gab es unter anderem Schnaps, Rauchwaren und Delikatess­en aus aller Welt. Das Unternehme­n florierte, bis die Deutschen jüdischer Religion immer stärkeren Beschränku­ngen ausgeliefe­rt waren. Schließlic­h zogen Emil und seine Frau Bella die Konsequenz­en: Sie wanderten mit den Kindern nach Argentinie­n aus.

Ein Fischacher hatte der Familie für die Reise noch große Kisten gezimmert, die Fahrt ging dann zunächst nach Hamburg und mit dem Schiff nach Argentinie­n. Sie hatten somit überlebt – wenn sie vielleicht auch nicht wirklich glücklich geworden sind. Bei einem ihrer späteren Besuche in Fischach hatte Bella Eichengrün erzählt, ihr Mann sei bereits im Alter von 50 Jahren gestorben. Er habe sich mit dem neuen Leben nicht abfinden können. Seine Söhne Paul und Arthur starben in Argentinie­n, die Mutter zog es zurück in die alte Heimat: Bella Eichengrün starb 1988 in Augsburg.

Weniger Glück hatten zwei jüngere Brüder von Emil Eichengrün, Karl und Albert. Sie wurden bereits am 1. April 1942 deportiert und gelten seitdem als verscholle­n in Piaski. Auch ihr alter Vater, Moritz Moses Eichengrün, wurde noch im August 1942 deportiert und kam wenige Monate später im Konzentrat­ionslager Theresiens­tadt um. Einem jüngeren Bruder von Emil Eichengrün, Robert Nathan, gelang ebenfalls die Flucht, er lebte später in Haifa in Israel. Das Haus der Familie blieb vermutlich zunächst unter staatliche­r Verwaltung. Jakob Demmel erinnert sich, dass dort russische Kriegsgefa­ngene einquartie­rt wurden.

Emil Eichengrün hat sich mit dem neuen Leben nicht abfinden können

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