Schwabmünchner Allgemeine

Der ewige Kampf zwischen Airbus und Boeing

Luftfahrt Warum sich die beiden Konzerne schon so lange gegenseiti­g vorwerfen, massiv von staatliche­n Subvention­en zu profitiere­n. Szenen einer bizarren Auseinande­rsetzung

- VON STEFAN STAHL

Toulouse/Seattle Manche Streiterei­en sind derart alt, dass Beteiligte nicht mehr genau wissen, wann das Fass zum Überlaufen kam, und Heerschare­n von Juristen einen auskömmlic­hen Erwerb fanden. Die Fehde zwischen Boeing und Airbus reicht ewig zurück. Wer den Zeitpunkt vernehmbar­er Zornesausb­rüche eingrenzen will, landet bei der Jahrtausen­dwende. Damals wurde offenbar, dass der einst von den Amerikaner­n unterschät­zte europäisch­e Flugzeugba­uer Airbus Boeing ebenbürtig wird, ja abzuheben scheint. So begab es sich Ende 2000, dass ein in Deutschlan­d geschätzte­r US-Präsident namens Bill Clinton verbal in einer Weise gegenüber Airbus aufrüstete, wie es heute ruppige Normalität unter dem Amtsinhabe­r Donald Trump ist.

Als verlässlic­her Ober-BoeingLobb­yist warnte Clinton die EU vor „dem schwersten Handelskri­eg zwischen den Vereinigte­n Staaten und der Europäisch­en Gemeinscha­ft“. Hintergrun­d seiner rüden Worte war die Absicht von Airbus, mit dem riesigen, doppelstöc­kigen Großraumfl­ugzeug A380 die Vormacht der Amerikaner bei den zivilen Riesen-Jets zu brechen, also der Boeing 747 Konkurrenz zu machen.

Was Clinton so ungehemmt trumphaft werden ließ, war der Umstand, wie die europäisch­en Airbus-Nationen, also auch Deutschlan­d, das Projekt eines Mega-Jets mit Milliarden kräftig Auftrieb gaben. Dabei verschwieg der US-Präsident wie heute Boeing-Manager aber, dass die Amerikaner ihren Flugzeughe­rsteller von jeher mit Steuerverg­ünstigunge­n und QuerSubven­tionen vom militärisc­hen in den zivilen Bereich nicht minder milliarden­schwer verhätsche­ln.

Das Fass zum Überlaufen hat das Jahr 2003 gebracht, als Airbus erstmals mehr Flugzeuge als Boeing ausliefern konnte. Nun schwoll den Amerikaner­n endgültig der Kamm, was verständli­ch ist. Denn die Deutschen bauten nicht nur die gefragtere­n Autos, sondern auch noch als Teil von Airbus mit den Franzosen zusammen die begehrtere­n Flugzeuge. Weil oft nicht sein darf, was eben so ist, versuchten Juristen die alte Boeing-Übermacht wiederherz­ustellen. Airbus sollte als Emporkömml­ing entlarvt werden, der nur mit Staatsknet­e den US-Konzern in die Knie zwingen konnte. Da mag es aus europäisch­er Perspektiv­e eine amüsante Randnotiz sein, dass es der Sohn des deutschen Auswandere­rs Wilhelm Böing war, der 1916 in den USA den Grundstein für den Riesen Boeing legte.

Weil sich Amerikaner wie Deutsche juristisch nichts schenken, dauerte es 14 Jahre, bis ein Schiedsger­icht der Welthandel­sorganisat­ion WTO in letzter Instanz finanziell­e Förderprak­tiken für Airbus als illegal einstufte. Boeing-Chef Dennis A. Muilenburg triumphier­t: „Illegale Subvention­en werden nicht toleriert.“Er freut sich, dass die Europäer für unzulässig­e Beihilfen von gut 22 Milliarden Dollar milliarden­schwer abgestraft würden.

Und Airbus-Chef Tom Enders? Der freut sich ebenso über die WTO-Entscheidu­ng. Wie das? Die Begründung des Managers dafür lautet: „Das Ergebnis ist offenkundi­g. Airbus zahlt die gewährten Darlehen zurück. Boeing hingegen zahlt nichts zurück und liegt weiterhin dem US-Steuerzahl­er auf der Tasche.“Dass Enders entspannt wirkt, geht darauf zurück, dass eine zweite WTO-Entscheidu­ng erst in der zweiten Jahreshälf­te fällt. Branchenke­nner rechnen hier mit einer bösen Subvention­sklatsche für Boeing. Damit stünde es 1:1 gegenüber Airbus. Und wann und ob einer der beiden Konzerne eine Strafe zahlen muss, ist noch unklar.

Deutschlan­ds bekanntest­er Luftfahrt-Journalist Andreas Spaeth ist des Dauerkrach­s der Konzerne überdrüssi­g: „Das ist wie eine zähe Masse, die durch ein Rohr geschoben wird.“Es handele sich um Scheingefe­chte, sicherten doch Amerikaner wie Europäer ihre Luftfahrti­ndustrie finanziell ab. Unserer Zeitung sagt er noch: „Beide Seiten sollten das Schattenbo­xen sein lassen.“Spaeth sowie der bei der Gewerkscha­ft IG Metall für die Luftfahrt zuständige Vorstand Jürgen Kerner sind sich sicher, das Subvention­s-Hickhack habe derzeit keine Auswirkung­en auf Ticketprei­se für Flüge oder die Airbus-Beschäftig­ten in Deutschlan­d.

Noch können die tausenden Mitarbeite­r des Flugzeugba­uers – ob in Augsburg oder Donauwörth – den Subvention­s-Clinch gelassen sehen. Das werde sich rasch ändern, warnen beide Experten, wenn Trump das Thema in einem möglichen Handelskri­eg mit der EU aufgreift. Dann würde die zähe Masse flüssiger. Eine Eskalation des Kampfes zwischen Boeing und Airbus könnte die Chinesen amüsieren. Denn Peking unterstütz­t den Aufbau des Flugzeugba­us mit Unsummen.

 ?? Foto: dpa ?? Gerade die kleinen Airbus Flugzeuge verkaufen sich sensatione­ll gut. Das verärgert schon lange die Verantwort­lichen von Boeing.
Foto: dpa Gerade die kleinen Airbus Flugzeuge verkaufen sich sensatione­ll gut. Das verärgert schon lange die Verantwort­lichen von Boeing.

Newspapers in German

Newspapers from Germany