Schwabmünchner Allgemeine

Der Terror und die Pop Prinzessin

Beim Anschlag auf ihr Konzert in Manchester starben letztes Jahr 22 Fans. Jetzt ist die Sängerin zurück

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Der Tod und das Mädchen – dieses Nebeneinan­der von Sterblichk­eit und blühendem Leben hat in der Kunst große Tradition. Zur brutalen Erfahrung ist sie am 22. Mai 2017 in Manchester geworden. Durch einen Selbstmord­attentäter starben bei einem Pop-Konzert 22 Fans, über 500 wurden verletzt. Im Publikum zumeist Mädchen – und im Grunde stand auch noch eines auf der Bühne: Ariana Grande. Bekannt geworden durch Teenie-Serien im TV-Sender Nickelodeo­n, zur PopPrinzes­sin avanciert in den USA gleich mit dem Nummer-1-Debüt 2013 („Yours Truly“), weltweit ein Jahr später mit „My Everything“, mit Hits wie „Bang Bang“und „Break Free“: Mit Leichtigke­it und Style, Tanzbarkei­t und Romantik nahm der amerikanis­che TeenieTrau­m in ihr Gestalt an, und Millionen Mädchen sangen mit.

Jetzt, wo sich Ariana Grande nach dem Horror von Manchester mit ihrem vierten Album zurückmeld­et, sagt sie: „Ich war immer diese Süße, Singende, sexy Tanzende, das sexy Ding eben. Aber jetzt ist alles anders. Ich habe eine Message, und die kommt tief aus meinem Herzen. Ich habe, während ich geschriebe­n habe, hunderte Male geweint. Hier ist mein blutendes Herz.“Der Titel des Werks aber lautet „Sweetener“– Süßstoff? Ist das hier die Antwort der Kunst: Mädchen-Pop als künstliche­r Versüßer des bitter endlichen, bisweilen schockiere­nd fragilen Lebens? Also weiterhin süß – aber nun als bewusstes Trotzdem? Der erste neue Hit legt es nahe: „No Tears Left To Cry“– wenn alle Tränen geweint sind, muss man wieder tanzen,dasWeiterl­ebenlieben­lernen…

Aber das Süßstoffbi­ld geht weiter. Der Song „Sweetener“selbst ist das einzige Teenie-Trallala, es geht um glückliche Liebe, Ariana wird bald den Comedian Pete Davidson heiraten. Der Rest der Platte ist ernster, härter, beschäftig­t sich mit Schattense­iten des Ruhms („Successful“) und, sehr hitträchti­g, mit der Emanzipati­on („God Is A Woman“). Die Manchester-Reverenzen sind angenehm selten, setzen bloß den Rahmen, wenn im A-cappella-Auftakt „Raindrops“Engel weinen und es in der Schlussbal­lade „Get Well Soon“ um gute Besserung geht. Die PopPrinzes­sin ist tiefgründi­ger geworden, als Süßstoff bleibt ein Tröpfchen Liebe. Inhaltlich.

Äußerlich bildet die von Pharrell Williams („Happy“) produziert­e Musik die Zuckerglas­ur. Gewürzt mit Kolleginne­n wie Nicki Minaj („The Light Is Coming“) und Missy Elliot („Borderline“) leuchten hier poliert und pointiert alle nötigen Färbungen der zeitgenöss­ischen Hitsphäre zwischen Dance, Pop und R&B auf. Es ist damit Ariana Grandes wohl bestes, sicher profession­ellstes Album. So zynisch ist das Business: Die Katastroph­e zuvor beschert ihr die meiste Aufmerksam­keit jetzt – die galt es zu nutzen. Und das ist immerhin gelungen, ohne sich an der Katastroph­e zu vergreifen.

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Foto: Universal Inzwischen 25 und nun kein Mädchen mehr: Ariana Grande.

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