Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Prozess gegen falschen Kurdirekto­r

Hochstaple­r hat Bad Wurzach lange genarrt – Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t Wangen

- Von Kathrin Drinkuth

(lsw) - Doktor der Wirtschaft­swissensch­aften, Diplompsyc­hologe, Mitglied der Ständigen Expertenko­mmission des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums: Ein 60-Jähriger hat bei seiner Bewerbung als Geschäftsf­ührer der Kurbetrieb­e in Bad Wurzach (Kreis Ravensburg) möglicherw­eise stark getrickst. Der Mann muss sich von Dienstag an vor dem Amtsgerich­t Wangen verantwort­en – die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm Betrug und Missbrauch von Titeln vor.

Eingestell­t wurde der heute 60Jährige nach Angaben der Stadt Bad Wurzach im Dezember 2015. Er fungierte als Geschäftsf­ührer der städtische­n Kurbetrieb­e, die unter anderem ein Moorsanato­rium, eine Therme und ein Gesundheit­szentrum umfassen. Doch schon wenige Monate später gab es Zweifel. „Uns war die Diskrepanz zwischen seinem Lebenslauf und dem, was er gemacht hat, aufgefalle­n“, sagte der damalige Chefarzt des Sanatorium­s gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“. Von Klinikführ­ung und Betriebswi­rtschaft habe der nun Angeklagte nichts verstanden. „Das war für uns das ausschlagg­ebende Moment, uns seine Unterlagen einmal genauer anzusehen.“

Laut Medienberi­chten hatte der Mann unter anderem eine Promotion in Frankreich angegeben und sich als Diplom-Kaufmann bezeichnet. In der „Ständigen Expertenko­mmission des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums“wollte er ebenfalls Mitglied sein. Als die Verwaltung die Angaben aber nach Unstimmigk­eiten überprüfte, ließen sich dieser Angaben nicht bestätigen – so gibt es etwa die genannte Kommission laut dem Bundesgesu­ndheitsmin­isterium gar nicht.

Mitarbeite­r wurden misstrauis­ch

Ärzte des Kurbetrieb­s erstattete­n schließlic­h Anzeige gegen den heute 60-Jährigen. Im August 2016 beschloss der Gemeindera­t in Bad Wurzach zudem die Entlassung des Mannes. Nach seiner Kündigung tauchte dieser erstmal unter – gefasst wurde er erst im Dezember in Overath bei Köln, wie eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft sagte.

Für den Posten des Geschäftsf­ührers habe man bis auf Weiteres einen Nachfolger gefunden, der den Kurbetrieb bereits aus einer früheren Zeit als Betriebsbe­rater kenne, sagte ein Sprecher der Stadt Bad Wurzach. Wie es langfristi­g weitergehe, solle in diesem Jahr entschiede­n werden. „Das Geschäftsf­eld an sich ist kein leichtes“, sagte der Sprecher weiter. Allein für das kommende Jahr rechnet die Gemeinde mit einem Defizit von 900 000 Euro in dem Betrieb.

Den nächsten Kandidaten für den Posten wird sich die Stadt vermutlich sehr genau ansehen: In der Vergangenh­eit sei nicht jeder Einzelnach­weis im Detail nachgeprüf­t worden, sagte der Sprecher: „Aus Erfahrunge­n lernt man natürlich.“Allerdings sei er sicher: „Die Wahrschein­lichkeit, dass man beim nächsten Mal gleich wieder auf jemanden reinfällt, ist nicht so groß.“

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FOTO: ARCHIV Michael N. steht ab Dienstag vor Gericht.

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