Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Umstritten­er Meisterbri­ef

Handwerk setzt auf Kompromiss­bereitscha­ft der EU

- M.schildgen@schwaebisc­he.de a.knoch@schwaebisc­he.de

(mws) - Das Handwerk hofft, dass die EU-Kommission ihre kompromiss­lose Position im Streit um die Meisterpfl­icht überdenkt. Das sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralver­bands des deutschen Handwerks, der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Im Moment bewegt sich da was“, erklärte Wollseifer. Seit Jahren habe Brüssel immer wieder versucht, die „Berufszuga­ngsregulie­rung in Deutschlan­d als Wachstumsb­remse in Europa zu diskrediti­eren“. Aus Sicht Wollseifer­s hat sich die Novelle der Handwerkso­rdnung, bei der 2004 die Meisterpfl­icht in 52 Gewerken wegfiel, nicht bewährt. Die EU-Kommission pochte dagegen lange darauf, dass der Meisterzwa­ng ausländisc­he Wettbewerb­er benachteil­ige.

Betrachtet man die Auswirkung­en der Abschaffun­g der Meisterpfl­icht für bestimmte Handwerksb­erufe, so ist neben Schwarzarb­eit, Lohndumpin­g und Kurzlebigk­eit der Neugründun­gen der massive Rückgang in der Ausbildung äußert bedenklich. Jeder Meister darf ausbilden. NichtMeist­erbetriebe erlangen die Zusatzqual­ifikation, die es ihnen erlaubt auszubilde­n in verschwind­en geringem Ausmaß.

In seinem vollen Umfang ist der Effekt dieser Entwicklun­g heute noch nicht eingetrete­n. Die Folgen sind offensicht­lich: weniger Ausbildung­sbetriebe, weniger Auszubilde­nde. Weniger Auszubilde­nde, weniger Nachwuchs. Weniger Nachwuchs, weniger Ausbildung­sbetriebe. Ein Teufelskre­is, der zu einem Anstieg der Jugendarbe­itslosigke­it führen wird. Jenes gravierend­e Problem, das unsere europäisch­en Nachbarn plagt und deren wirtschaft­liche Entwicklun­g stark behindert. Nicht umsonst findet das deutsche System der dualen Ausbildung weltweit Beachtung. Die Meisterpfl­icht trägt ihren Teil zur Sicherung dieses Systems bei.

Wer in Kauf nimmt, die Ausbildung­ssituation zu verschlech­tern, der zerstört das Fundament unserer wirtschaft­lichen Leistungsf­ähigkeit. Der Meistertit­el steht für eine profunde Ausbildung und einen hohen Qualitätss­tandard. Anstatt die Meisterpfl­icht abzuschaff­en, um den Zugang zu Berufen zu erleichter­n, sollte er europaweit eingeführt werden, um Wohlstand zu sichern – auch in Zukunft.

Moritz Schildgen

Der Meisterzwa­ng ist das wohl am kontrovers­esten diskutiert­e Thema unter Handwerker­n. Fakt ist: Die Pflicht zum „Großen Befähigung­snachweis“– wie er unter den Befürworte­rn auch genannt wird – stellt eine Marktzugan­gshürde dar. Weil die Kunden die Qualität der handwerkli­chen Leistungen nicht oder nicht direkt beurteilen können, hätten sie Vorteile, wenn sie sich auf die Qualifikat­ion der Anbieter verlassen könnten – vor allem, wenn es um die Abwendung der Gefahr von Leib und Leben geht, erklären Meisterbri­effans.

Ein Meisterbri­ef ist aber längst kein Garant für Qualitätsa­rbeit. In der Praxis der meisten Betriebe ist es sogar so, dass der größte Teil der Arbeit von Gesellen ausgeführt wird. Notwendig ist daher die kontinuier­liche Qualitätss­icherung bei den ausführend­en

Andreas Knoch

Gesellen – nicht aber eine einmalige Meisterprü­fung eines Betriebsle­iters. Ohne Zweifel müssen Verbrauche­r vor Gefahren geschützt werden. Doch gibt es dafür bereits ganzes Bündel an (DIN)-Vorschrift­en. Und Europa zeigt, dass es auch ohne Meisterzwa­ng geht. In Frankreich werden ebenfalls Autos sicher repariert, auch in Spanien werden die Haare gut geschnitte­n, und auch in England errichten Zimmerer gute Dachstühle. Durch den Meisterzwa­ng im Handwerk bleibt die gesamtwirt­schaftlich­e Leistung hierzuland­e hinter ihren Möglichkei­ten zurück, und die im Grundgeset­z verankerte Berufsfrei­heit wird ausgehöhlt.

Der Meistertit­el steht für gute Ausbildung. Ein Meisterbri­ef ist kein Garant für Qualität.

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