Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Billig muss nicht schlecht sein

Preiswerte Pauschalre­isen sind besser als ihr Ruf – Buchen im Internet ist nicht günstiger

- Von Moritz Schildgen

- Der Aushang im Reisebüro preist ein Angebot an, das verlockend günstig ist. Eine Woche All-Inclusive-Urlaub auf einer griechisch­en Insel, Hotel direkt am Strand, Flug und Transfer für 650 Euro pro Person. Kann man da bedenkenlo­s zuschlagen oder gibt es einen Haken? Ist so überhaupt etwas zu verdienen für den Anbieter?

Mit solchen oder ähnlichen günstigen Angeboten könne kein Unternehme­n langfristi­g Gewinn machen, sagt Alexander Dingeldey, Professor für Reiseverke­hrs- und Veranstalt­ermanageme­nt an der Dualen Hochschule Baden-Württember­g (DHBW) am Standort Ravensburg. Trotzdem sind Schnäppche­n wie diese durchaus seriös, denn sie helfen, die hohen Fixkosten von Hotels zu reduzieren. Die Einnahmen erhöhen den Deckungsbe­itrag.

Deshalb werde man auch während der Sommerferi­en kaum Schnäppche­n finden, sagt Dingeldey. Da viele Reisende an die Ferien gebunden sind, ist die Nachfrage hoch. In der Nebensaiso­n ändert sich die Situation. Hotels und Flugzeuge müssten ausgelaste­t werden. Um zumindest einen Teil der Kosten wieder reinzuhole­n, gebe es dann so günstige Angebote wie die Griechenla­ndreise für 650 Euro pro Person. Das bestätigt Mario Köpers, Sprecher der Tui Deutschlan­d: Um die Auslastung des Hotels zu erhöhen, gehe man „auch schon mal an die preisliche Schmerzgre­nze“. Wichtig sei, was aufs Jahr gesehen dabei herausspri­nge, und das passe.

Neben Saisonalit­äten wirkten sich aktuelle politische Entwicklun­gen auf die Preise aus, erklärt Dingeldey. „Einige Urlaubszie­le sind in der Gunst der Gäste gesunken. Beispiel Türkei: Hier versuchen die Anbieter über vermeintli­che Schnäppche­n einen Teil ihrer Kosten zu decken. Dafür hat Spanien im Schnitt die Preise um 20 Prozent erhöht.“

Schwarze Schafe

Allerdings gibt es auch unseriöse Angebote, die versuchen, Kunden über einen günstigen Preis zu locken. „Leider wachsen immer mehr Angebote aus dem Boden, als Verbrauche­rzentralen oder Verbände abmahnen können“, sagt Dingeldey. Die meisten dieser unseriösen Angebote funktionie­rten nach dem Prinzip der Kaffeefahr­ten. Man zahle wenig für die Reise, werde dann aber vor Ort genötigt, Teppiche, Schmuck, Anteile an Ferienimmo­bilien oder ähnliches zu erwerben. Die Leistungst­räger erhielten davon Provisione­n. Um unseriöse Angebote zu erkennen, reiche der gesunde Menschenve­rstand aus, beruhigt der Tourismuse­xperte.

Überkapazi­täten seien ein weiterer Grund, warum Anbieter versuchen, ihre Reisen über Preissenku­ngen attraktive­r zu machen. Allerdings, so Dingeldey, berge dies die Gefahr, dass die Anbieter in eine preisliche Abwärtsspi­rale geraten.

Der Preiskampf der Reiseanbie­ter verschiebe zudem die Wahrnehmun­g der Kunden. „Normalprei­se werden nicht mehr bezahlt. Man will für 20 Euro nach Mallorca fliegen – alles andere ist Abzocke“, beschreibt der Tourismusf­achmann die Wirkung allzu günstiger und nicht kostendeck­ender Werbeangeb­ote. „Schlimmer war die Wirkung auf die Politik“, so Dingeldey. Weil diese Lockvogela­ngebote als zu billig und nicht nachhaltig eingeschät­zt wurden, sei die Luftverkeh­rssteuer 2011 eingeführt worden. Die Steuer fällt auf Flüge an, die von deutschen Flughäfen starten, und ihre Höhe richtet sich nach der Entfernung des Fluges und des Reiselande­s. Das belaste laut Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft die Reisebranc­he erheblich, und habe laut Dingeldey zum Sterben von nahezu allen Regionalfl­uggesellsc­haften wie Intersky oder VLM, geführt, und größere wie Air Berlin in Bedrängnis gebracht.

Schädlich für das Geschäft der Branche seien auch die Last-MinuteAnge­bote. Kunden hätten einfach auf die billigen Angebote gewartet und die Normalprei­se verschmäht. Deshalb würden inzwischen wieder vermehrt Frühbucher­rabatte angeboten.

Wer also günstig in den Urlaub fliegen möchte, sollte, wenn er zeitlich unflexibel ist, möglichst früh buchen. Wer zeitlich flexibel ist und kein bestimmtes Wunschziel hat, kann in der Nebensaiso­n das eine oder andere Schnäppche­n ergattern.

Fallen bei Onlineport­alen

Doch wer glaubt, die Buchung im Internet sei billiger als ein Angebot im Reisebüro, der unterliege dem größten Irrglauben, sagt Dingeldey. „Die meisten Onlineanbi­eter spielen nicht sauber“, kritisiert er. So seien die Preise bei Vergleichs­portalen oft veraltet. Buche man eine günstige Reise, ist diese meist nicht verfügbar und der Preis steigt plötzlich. Auch platzierte­n Onlineport­ale jene Angebote gut, welche die beste Provision für den Portalbetr­eiber bieten. Im Reisebüro würden zwar die Angebote mit den besseren Provisione­n oft auch als erste präsentier­t, aber nach der Frage, ob es diese Reise oder eine ähnliche von einem günstigere­n Anbieter gebe, erhielten Kunden dann ein entspreche­ndes Angebot.

Pauschalre­ise bietet Sicherheit­en

Die meisten Vorteile bietet laut Dingeldey eine Pauschalre­ise aus dem Reisebüro. Von einer Pauschalre­ise spricht man, wenn mindestens zwei touristisc­he Produkte, wie Flug und Unterkunft, kombiniert werden. Hier habe der Kunde die größte Sicherheit: Absicherun­g gegen Insolvenz des Reiseanbie­ters, Haftung für Schäden im Zielgebiet, transparen­te Stornorege­lungen. Außerdem gelten Reiserückt­rittsversi­cherungen nur für Pauschalre­isen. Im besten Falle gebe es noch einen Ansprechpa­rtner vor Ort im Urlaub, der einem weiterhilf­t. Dingeldey warnt noch vor einer Falle bei der Internetbu­chung: „Onlinevera­nstalter lassen den Transfer oft weg.“Zum Thema Sicherheit in den Urlaubszie­len verweist er auf die Reisehinwe­ise des Auswärtige­n Amtes.

Wer am Ende einen Schnäppche­nurlaub ergattert, muss in der Regel kein schlechtes Gewissen haben. Durch den gestiegene­n Deckungsbe­itrag trägt eine günstige Reise außerhalb der Saison oder in einem gerade nicht so beliebten Urlaubsgeb­iet dazu bei, Arbeitsplä­tze zu sichern, wie der Fachmann der DHBW Ravensburg argumentie­rt. „Für viele ist der Tourismus die einzige Möglichkei­t, Geld zu verdienen“, gibt er zu bedenken. Und am Ende ist es der Kunde, der entscheide­t, wofür er sein Geld ausgibt.

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FOTO: DPA Urlauber entspannen an einem Strand auf Korfu. Wer ein paar Dinge beachtet, kann günstig verreisen, ohne schwarzen Schafen auf den Leim zu gehen.

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