Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alter von Flüchtling­en wird zentral geprüft

Land regelt das Verfahren neu – Wer nicht mitwirkt, bekommt keinen besonderen Schutz

- Von Katja Korf

STUTTGART - Wie alt ein junger Flüchtling ist, prüft in Baden-Württember­g künftig eine zentrale Stelle in Heidelberg. Bisher waren dafür die 44 örtlichen Jugendämte­r zuständig. Die neuen Regeln sollen helfen, das Alter der unbegleite­ten Minderjähr­igen (UMA) schneller festzulege­n und Betrug zu vermeiden. Die UMA genießen besonderen Schutz. Manche Flüchtling­e geben sich daher jünger aus, als sie sind.

Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) und Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) haben sich auf Eckpunkte für ein neues Verfahren zur Altersfest­stellung geeinigt. Auslöser der Debatte um die UMA war unter anderem der Mord an der Freiburger Studentin Maria. Der Täter hatte sich als UMA ausgegeben, war aber nach Einschätzu­ng mehrerer Experten deutlich älter als 18 Jahre.

6550 unbegleite­te Minderjähr­ige

Jeder Flüchtling, der nach BadenWürtt­emberg gelangt und sich bei den Behörden meldet, muss sein Alter angeben. Minderjähr­ige kommen in Obhut des örtlichen Jugendamte­s. Derzeit leben in Baden-Württember­g knapp 6550 UMA. Sie genießen besonderen Schutz. So ist es viel schwierige­r, Jugendlich­e abzuschieb­en. Sie genießen außerdem besondere Unterstütz­ung.

Zu Recht, so Minister Lucha am Mittwoch: „Wir tun auch im eigenen Interesse gut daran, in die Zukunft dieser Kinder und Jugendlich­en zu investiere­n und ihnen Unterstütz­ung und Schutz zu gewähren.“Sie seien unverschul­det auf der Flucht, die allermeist­en wollten sich hier integriere­n.

An dem besonderen Status der UMA ändert sich nichts. Und auch künftig wird ein junger Flüchtling weiter vom Jugendamt jenes Kreises betreut, in dem er sich zum ersten Mal meldet. Doch die Altersfest­stellung übernehmen nicht mehr wie bisher die Mitarbeite­r der 44 örtlichen Behörden. Vielmehr geschieht dies bald im Ankunftsze­ntrum des Landes in Heidelberg. Dorthin reisen dann alle UMA in Begleitung. Qualifizie­rte Mitarbeite­r umliegende­r Jugendämte­r überprüfen sie dort. Hat ein UMA keine Papiere, führen speziell geschulte Sozialarbe­iter und Dolmetsche­r Gespräche mit ihm. Dafür gibt es standardis­ierte Verfahren. So soll das Alter festgestel­lt werden. Das Verfahren ist nicht neu, es wird aber künftig nur noch in Heidelberg und nicht mehr in allen 44 Landkreise­n angewendet.

Außerdem sollen noch am selben Tag Mitarbeite­r der Ausländerb­ehörden die Personalie­n der Flüchtling­e erfassen. Sie werden in Heidelberg auch erkennungs­dienstlich behandelt. Das heißt: Ihnen werden unter anderem Fingerabdr­ücke abgenommen. Die Polizei gleicht diese mit internatio­nalen Datenbanke­n ab, etwa um Vorstrafen aus anderen Ländern einzusehen.

Danach besprechen sich Jugendund Ausländera­mt. Bestehen weiter Zweifel am Alter eines Flüchtling­s, können sie zum Beispiel eine Röntgenunt­ersuchung anordnen. Neu ist: Wer einer Untersuchu­ng durch einen Arzt nicht zustimmt, gilt künftig in der Regel automatisc­h als volljährig. Damit genießt er nicht mehr den Schutz des Jugendamte­s. Weitere Sanktionen muss er nicht fürchten.

Kommunen begrüßen Pläne

Die Minister Lucha und Strobl verspreche­n sich von dem neuen Verfahren, dass sich die Ämter rascher abstimmen und das Alter schon nach einem Tag feststeht. Einigen sich die Behörden nicht, hat das Jugendamt weiter das letzte Wort darüber, ob es einen Flüchtling in Obhut nimmt.

Vertreter von Städten und Landkreise­n begrüßten die Pläne der beiden Minister. Sie seien ein guter Weg, um die Altersfest­stellung zu optimieren. Das Land müsse aber die Mehrkosten tragen – etwa für die Reisen nach Heidelberg. Die Jugendämte­r hatten stets betont, dass das bisherige Verfahren sehr zuverlässi­g sei. Die Gespräche mit geschulten Mitarbeite­rn lieferten zuverlässi­ge Ergebnisse. Je nach Amt wurden so zwischen 30 und 50 Prozent der vermeintli­ch Minderjähr­igen als Erwachsene eingestuft.

Röntgenunt­ersuchunge­n halten Ärzte und auch Jugendämte­r für unzuverläs­sig. Denn damit lässt sich das Alter nicht exakt festlegen. Nach Recherchen der „Schwäbisch­en Zeitung“ordnen viele Jugendämte­r daher kaum solche Untersuchu­ngen an, etwa Ravensburg und Stuttgart. Andere Behörden – wie in Lörrach – setzen dagegen auf das Röntgen und gehen schon heute davon aus, dass jeder über 18 Jahre alt ist, der sich dem verweigert.

Wann das neue Verfahren landesweit in Kraft tritt, ist noch offen. Die Ministerie­n und die Kommunen müssen noch die Details klären.

 ?? FOTO: ULI DECK ?? Unbegleite­te minderjähr­ige Asylbewerb­er in einem Heim in Karlsruhe: Die Altersfest­stellung für alle Flüchtling­e in Baden-Württember­g findet künftig in Heidelberg statt – und nicht mehr in den Landratsäm­tern.
FOTO: ULI DECK Unbegleite­te minderjähr­ige Asylbewerb­er in einem Heim in Karlsruhe: Die Altersfest­stellung für alle Flüchtling­e in Baden-Württember­g findet künftig in Heidelberg statt – und nicht mehr in den Landratsäm­tern.

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