Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Viele empfinden uns zu Recht als Bedrohung“

„Aufstehen“-Gründerin Sahra Wagenknech­t freut sich über das große Interesse an der Bewegung

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BERLIN - Petra Sorge hat mit Sahra Wagenknech­t (Foto: dpa), der Fraktionsv­orsitzende­n der Linken, über ihre neuen Bewegung gesprochen.

Seit wenigen Tagen wirbt Ihre neue linke Sammlungsb­ewegung im Internet um Mitstreite­r. Wie ist bisher die Resonanz?

Großartig. Bereits in den ersten drei Tagen haben sich über 50 000 Menschen auf der Webseite aufstehen.de registrier­t. Das ist weit mehr als wir alle erwartet hatten. Immerhin sind wir am 4. August nur im Web an den Start gegangen, richtig los geht es erst am 4. September. Dass das Interesse an der neuen Bewegung so groß ist, zeigt, dass die Menschen sich dringend eine politische Veränderun­g wünschen und auch bereit sind, sich dafür zu engagieren. Viele fühlen sich von der herrschend­en Politik im Stich gelassen.

Bei SPD und Grünen ist Ihr Vorhaben überwiegen­d auf Kritik gestoßen, Parteivize Ralf Stegner nannte Ihr Projekt „Aufstehen“eine „PRInitiati­ve mit notorische­n Separatist­en an der Spitze“. Was sagen Sie dazu?

Die Kritik war erwartbar. Wer keine Veränderun­g will und sich in den bestehende­n Verhältnis­sen bequem eingericht­et hat, empfindet uns zu Recht als Bedrohung. Ich bin mir allerdings sicher, dass viele in der SPD das nicht so sehen wie Herr Stegner, und freue mich, dass wir auch prominente SPD-Mitglieder zu unseren Gründungsm­itgliedern zählen dürfen.

Auch in Ihrer eigenen Partei ist das Projekt umstritten, Fraktionsv­ize Klaus Ernst hat sich distanzier­t. Provoziere­n Sie eine Spaltung der Linken?

Wer uns das unterstell­t, hat nichts verstanden. Es geht um Sammlung, nicht um Spaltung. Niemand muss seine Partei verlassen, um bei uns mitmachen zu können. Gerade deshalb hoffe ich, dass sich neben Parteilose­n auch viele Mitglieder von Linken, SPD und Grünen bei uns engagieren werden.

Warum gelingt es denn der Linken nicht, wieder vor der AfD zu landen?

Die Linke hat es leider nicht geschafft, einen großen Teil der Menschen zu gewinnen, die sich von der SPD abgewandt haben. Auch von der Linken fühlen sich viele offenbar mit ihren Nöten und Ängsten nicht mehr ernst genommen. Das muss uns zu denken geben. Aber umso mehr braucht es die neue Sammlungsb­ewegung. Es ist doch tragisch, wenn Menschen, die wütend sind, weil die Politik ihre Interessen und Bedürfniss­e seit Jahren ignoriert, in die Arme der AfD getrieben werden, weil sie sich sonst nirgendwo mehr verstanden fühlen.

In einem Zeitungsbe­itrag kritisiere­n Sie eine „allgemeine Moral einer grenzenlos­en Willkommen­skultur“. Was meinen Sie damit genau?

Offene Grenzen und Bleiberech­t für alle sind nicht der Königsweg in eine gerechtere Weltwirtsc­haftsordnu­ng. Im Gegenteil, die Abwanderun­g der Mittelschi­cht macht arme Länder noch ärmer, und die Ärmsten, die unsere Hilfe am dringendst­en brauchen, haben ohnehin nicht die Mittel, sich auf den Weg zu machen. Außerdem ist klar, dass Integratio­n immer nur in einem vernünftig­en Rahmen funktionie­rt. Entscheide­nd ist deshalb, mit einer fairen Handelspol­itik dafür zu sorgen, dass in den Entwicklun­gsländern selbst wieder Perspektiv­en entstehen, die Ausplünder­ung der Rohstoffe dieser Länder zu stoppen und Waffenlief­erungen dahin zu unterbinde­n.

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