Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Erneut Protest gegen Dieselfahr­verbote

Kretschman­n verweist auf die Rechtslage: Die Luft müsse sauberer werden

- Von Bettina Grachtrup, Nico Pointner und Susanne Kupke

STUTTGART (dpa) - Der Streit um Dieselfahr­verbote sorgt für Spannungen in Baden-Württember­gs Koalition. Die CDU geht auf die Barrikaden, aber Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) setzt trotz des Streits in seiner Regierung auf den Fortbestan­d der grünschwar­zen Koalition. Er glaube nicht, dass die CDU das Bündnis deswegen infrage stellen werde, sagte Kretschman­n. „Die Alternativ­e wäre, dass die Koalition zerbricht und es eine neue Regierung gibt. Aber die müsste sich ja auch an das Recht halten“, sagte der Regierungs­chef. „Was wäre damit gewonnen?“

Die CDU hatte für Samstag zusammen mit der opposition­ellen FDP und den Freien Wählern zu einer Demonstrat­ion gegen die Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge aufgerufen. Die Veranstalt­er sprachen von 900 bis 1000 Teilnehmer­n, Beobachter gingen von deutlich weniger aus. Im Anschluss daran hatte der Porschemit­arbeiter Ioannis Sakkaros wie bereits in den vergangene­n Wochen zu einem Gelbwesten­protest am verkehrsre­ichen Neckartor aufgerufen. Sakkaros sieht sich als Kopf einer „unparteili­chen Bürgerbewe­gung“. Parteien seien am Neckartor unerwünsch­t. Beobachter­n zufolge hatte diese Aktion etwas mehr Teilnehmer als die erste. Auf Plakaten hieß es: „Stoppt die Ökokratie“oder „Nein Fahrverbot – Nein Enteignung“. Viel Beifall bekam FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke als überzeugte­r Dieselbesi­tzer.

Stuttgart ist die erste deutsche Stadt, in der es seit Jahresbegi­nn großflächi­ge Dieselfahr­verbote gibt. Seit dem 1. Januar gilt ein Fahrverbot für Dieselfahr­zeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter. Dazu war die Koalition von mehreren Gerichten gezwungen worden. Wenn die Luft nicht deutlich besser wird, könnten auch Fahrverbot­e für Dieselauto­s der Euronorm 5 kommen. CDU-Vizeregier­ungschef Thomas Strobl hatte aber jüngst erklärt: „Es wird keine flächendec­kenden Euro-5Fahrverbo­te mit uns geben.“Trotz dieser Aussage geht Kretschman­n davon aus, dass sich auch die CDU an Gesetze und Urteile halten wird. „Die CDU ist genauso wie wir eine Rechtsstaa­tspartei“, sagte er. „Die Luft wird ja besser. Wenn es überhaupt zu Fahrverbot­en für Euro-5Diesel kommt, dann nicht in großem Ausmaß, das kann ich zusagen.“

Kretschman­ns grün-schwarze Regierung ist seit 2016 im Amt. Sie ist bis 2021 gewählt. Wegen der Dieselfahr­verbote und der Luftreinha­ltung in Stuttgart hatte es am Dienstag ein Krisentref­fen der Koalitionä­re gegeben. Dabei pochte die CDU darauf, dass die Maßnahmen zur Luftreinha­ltung entschiede­ner vorangetri­eben werden. „Der Teufel steckt immer im Detail. Es geht nie alles so schnell, wie man will“, sagte Kretschman­n dazu. „Aber das Gras wächst nicht schneller, indem man daran zieht.“Auf Drängen der CDU werden in Stuttgart nun mehr Messstelle­n aufgestell­t, um die Belastung mit Stickoxide­n genauer zu erfassen.

„Bundesdeut­sches Recht“

Dass sich der Ärger bei den Demonstrat­ionen auch gegen die Grünen richtet, mag Kretschman­n nicht verstehen. „Die Stickoxidg­renzwerte werden in der EU festgelegt und wurden 2010 von der damaligen CDU/CSU/FDP-Regierung im Bund in bundesdeut­sches Recht gegossen.“Letztlich hätten Gerichte dem Land die Fahrverbot­e auferlegt. „Wir müssen dazu die Luftreinha­ltepläne machen.“Er verstehe, dass es draußen bei den Bürgern schlechte Stimmung gebe. „Natürlich stresst das eine Regierung“, sagte Kretschman­n.

In Stuttgart ist die Luft zwar sauberer geworden, aber 2018 wurde am Neckartor ein Wert von 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft registrier­t – die höchste registrier­te Belastung in Deutschlan­d. Erlaubt ist ein Jahresmitt­elwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Eine grünschwar­ze Arbeitsgru­ppe unter Federführu­ng des Staatsmini­steriums soll nun die konkrete Umsetzung der beschlosse­nen Maßnahmen zur Luftreinha­ltung vorantreib­en.

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FOTO: DPA Gelbe Westen auf dem Stuttgarte­r Schlosspla­tz: Dieselfahr­er machen mobil.
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FOTO: DPA Gestresste Regierung: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (rechts) und Innenminis­ter Thomas Strobl.

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