Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mann geht auf Polizisten los

Ein 50-Jähriger kündigt seiner Verlobten seinen Suizid an – Als diese die Beamten ruft, eskaliert die Lage

- Von Stefan Kümmritz

NEU-ULM/VÖHRINGEN - Es war der 24. März 2018, als ein Mann aus dem Raum Vöhringen seiner Verlobten abends eröffnete, sich umbringen zu wollen. Die Frau, die mit ihm 20 Jahre zusammenle­bte und mit ihm einen heute zehnjährig­en Sohn hat, wusste sich nicht anders zu helfen, als die Polizei zu alarmieren. Beamte rückten an – doch der Mann wurde in vielfacher Hinsicht, auch mit körperlich­en Angriffen auf die Einsatzkrä­fte, ausfällig und deshalb angeklagt.

In der Verhandlun­g am Neu-Ulmer Amtsgerich­t zeigte er Reue, betonte aber, sich an den Vorfall nicht mehr erinnern zu können. Trotzdem entschuldi­gte er sich bei allen, die er damals nach starkem Alkoholgen­uss angegangen war und kam auch deshalb mit einer recht milden Strafe davon.

Richterin Gabriele Buck verurteilt­e den psychisch angeknacks­ten 50Jährigen zu zehn Monaten Freiheitss­trafe auf Bewährung sowie 2000 Euro Geldbuße, die er ans Diakonisch­e Werk Neu-Ulm zahlen oder ersatzweis­e 180 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten muss. Damit blieb sie unter dem von der Staatsanwa­ltschaft geforderte­n Strafmaß von einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung.

Der Angeklagte machte vor Gericht den Eindruck eines kranken, gebeugten Mannes. Er hatte weder Vorstrafen, noch war er sonst auffällig geworden. Aber er leidet, wie auch ein ärztliches Attest bestätigte, seit einiger Zeit unter Depression­en. In so einer depressive­n Stimmung redete er im März 2018 von Suizid, nachdem er eigenen Aussagen zufolge mehrere Biere und auch Whisky getrunken hatte.

Die von seiner Verlobten herbeigeru­fenen Polizeibea­mten konnten, so sagten die drei Hauptzeuge­n übereinsti­mmend aus, erst noch recht ruhig mit ihm reden. Als sie dann aber erklärten, sie würden ihn ins Bezirkskra­nkenhaus Günzburg bringen, rastete der Mann völlig aus. Er beschimpft­e und beleidigte die Beamten unaufhörli­ch mit derben Ausdrücken wie „Arschloch“und fragte einen Beamten: „Wie wäre es, wenn ich deine Brille in deinen Augen zertrümmer­e?“Dann versetzte der Angeklagte ihm einen Kopfstoß, trat später einer Ordnungshü­terin ans Schienbein und leistete so heftigen Widerstand, dass die Polizisten ihn fesseln mussten. Sie brachten ihn dann in den Rettungswa­gen. Dort griff der 50-Jährige nach der Pistole eines Polizeibea­mten und meinte: „Wenn ich die Waffe hätte, würde ich dich erschießen.“

Auf der Fahrt nach Günzburg musste der Rettungswa­gen laut Zeugenauss­age auf der Autobahn halten, weil sich der tobende Mann halb von seinen Fesseln befreit hatte und wieder dingfest gemacht werden musste. Außerdem habe er weiter um sich getreten und immer wieder geschrien, er wolle die Beamten „fertigmach­en“. Am Ende waren insgesamt sieben Beamte nötig, um den Mann in die Klinik bringen zu können. Dort musste er eine Nacht verbringen.

Wie der 50 Jahre alte Mann selbst sagte, habe er nach diesem Vorfall, zu dem er keine Aussage machen konnte, keinen Alkohol mehr getrunken. Zudem sei er seit Mai vergangene­n Jahres freiwillig an der Uniklinik Ulm sowohl in psychiatri­scher als auch psychologi­scher Behandlung.

Dies berücksich­tigte die Richterin und wies den Antrag des Verteidige­rs, seinen Mandanten nur zu einer Geldstrafe wegen Volltrunke­nheit zu verurteile­n, zurück: „Für Volltrunke­nheit gibt es keine Anzeichen.“Zu dem 50Jährigen sagte sie in aller Strenge: „Ich habe noch nie erlebt, dass von einem Angeklagte­n die Grenze so massiv überschrit­ten worden war. Das war eine schwerwieg­ende Straftat. Die Beamten wollten doch nur helfen.“

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