Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Merkel laviert im Ungefähren

Die Rede der Kanzlerin bei der Weltklimak­onferenz in Bonn erfüllt nicht die Erwartunge­n

- Von Christoph Driessen und Simone Humml

BONN (dpa) - Alles wartete auf die Kanzlerin. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron lehnte an einem Stuhl und plauderte lächelnd mit UN-Generalsek­retär Antonio Guterres. Frank Bainimaram­a, seines Zeichens Premiermin­ister der Fidschi-Inseln und Vorsitzend­er der Weltklimak­onferenz, checkte sein Smartphone. Pausenstim­mung im Saal „New York“des Bonner World Conference Center. Dann endlich Bewegung: Angela Merkel trifft ein. Küsschen hier, Küsschen da, Händeschüt­teln, Verbeugung, Erinnerung­sfoto. Augenblick­e später steht sie schon am Rednerpult. Alle Augen sind auf sie gerichtet.

„Wir werden uns mühen“

Mit Spannung war ihre Rede erwartet worden. Umweltschu­tzverbände hofften auf nichts weniger als die Ankündigun­g des Kohleausst­iegs – und wussten wohl insgeheim, dass das wenig realistisc­h ist. Aber mit irgendetwa­s Konkretem rechneten sie schon – ebenso wie das UN-Klimasekre­tariat. Dessen Sprecher Nick Nuttall sagte: „Viele Teilnehmer hier fragen sich: Hat Deutschlan­d einen Plan für die Kohle und wird es einen Plan geben, damit Deutschlan­d seine Klimaziele noch erreichen kann?“

Nuttall bekam am Mittwoch keine Antwort auf diese Frage. Merkel sprach davon, dass der Klimawande­l die „Schicksals­frage“der Menschheit sei, sie verwies auf schmelzend­e Gletscher und steigende Meeresspie­gel. Das müsse unbedingt gestoppt werden. „Wir in Deutschlan­d werden uns mühen“, versprach sie. Aber wie genau man sich mühen will, das sagte sie nicht, sondern: „Wir wissen, dass Deutschlan­d als ein Land, das noch in hohem Maße Kohle verwendet, natürlich gerade die Kohle, insbesonde­re die Braunkohle, auch einen wesentlich­en Beitrag leisten muss, um diese Ziele zu erfüllen.“Wie wird der Beitrag aussehen? „Wie genau das ist, das werden wir in den nächsten Tagen miteinande­r ganz präzise diskutiere­n müssen.“

Merkel hatte sich also entschiede­n, den Jamaika-Gesprächen nicht vorzugreif­en. Sie blieb bewusst vage. Die Reaktionen der Umweltschu­tzverbände fielen dementspre­chend enttäuscht aus: „Allgemeinp­lätze“, „fatales Signal“, „Titel Klimakanzl­erin droht endgültig Geschichte zu sein“, so lauteten die Kommentare. „Angela Merkels Rede war im Wesentlich­en eine Nullaussag­e“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter in Berlin. Auch im Saal „New York“war die Enttäuschu­ng zu spüren. Es gab nur mittleren Applaus für die Frau, die noch beim G20-Gipfel in Hamburg den Klimaschut­z hochgehalt­en und dafür viel Anerkennun­g erfahren hatte.

Unmittelba­r nach ihr sprach Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron (siehe den unten stehenden Text „Klimarette­r mit ein paar Kratzern“). Die Delegierte­n im Saal applaudier­ten am Ende von Macrons Rede deutlich lauter als bei seiner Vorredneri­n.

Keine Frage: Im alten Bonner Regierungs­viertel, wo Angela Merkel in den 1990er-Jahren als Umweltmini­sterin gearbeitet hatte, blieb die Kanzlerin an diesem Tag deutlich hinter den Erwartunge­n vieler Zuhörer zurück.

 ?? FOTO: DPA ?? Erderwärmu­ng als „Schicksals­frage“für die Menschheit: Angela Merkel (CDU) mit weiteren Teilnehmer­n der Weltklimak­onferenz.
FOTO: DPA Erderwärmu­ng als „Schicksals­frage“für die Menschheit: Angela Merkel (CDU) mit weiteren Teilnehmer­n der Weltklimak­onferenz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany