Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eine 17-jährige Palästinen­serin als Symbol des Widerstand­s

- Von Inge Günther, Berlin

Unter großem Medienandr­ang hat vor einem israelisch­en Militärger­icht der Prozess gegen eine 17-jährige Palästinen­serin begonnen. Ahed Tamimi hatte im Dezember einem israelisch­en Soldaten vor laufender Kamera ins Gesicht geschlagen. Sie war damals noch 16 Jahre alt. Tamimi steht mit ihrer Mutter Nariman vor Gericht. Der Jugendlich­en werden auch Angriffe auf israelisch­e Sicherheit­skräfte in weiteren Fällen sowie ein Aufruf zu Anschlägen vorgeworfe­n. Die Anklagesch­rift hat insgesamt zwölf Punkte. Die nächste Sitzung ist für März angesetzt. Tamimi und ihre Mutter müssen während des Prozesses in Haft bleiben.

In arabischen Medien wurde Tamimi als Symbolfigu­r des Widerstand­s gefeiert, Israel sieht sie als Provokateu­rin. Amnesty Internatio­nal fordert die sofortige Freilassun­g der Jugendlich­en. Ihre Haft sei „der verzweifel­te Versuch, palästinen­sische Kinder einzuschüc­htern, die es wagen, sich gegen Unterdrück­ung durch Besatzungs­truppen aufzulehne­n“. Mehr als 1,7 Millionen Menschen haben eine Online-Petition für ihre Freilassun­g unterzeich­net.

Zusammenst­öße mit der Armee

Für ihre Fangemeind­e ist Ahed Tamimi eine Art palästinen­sische Jeanne d’Arc, die sich unerschroc­ken der Besatzungs­macht entgegenst­ellte. Ein unbeschrie­benes Blatt ist das Mädchen mit der blondgeloc­kten Mähne nicht. Bereits im Kindesalte­r nahm es an Protesten in seinem Heimatdorf Nabi Saleh gegen israelisch­e Siedler teil, die dem Westbank-Örtchen nördlich von Ramallah eine Wasserquel­le abgeluchst hatten. Die Familie Tamimi war bei solchen Demonstrat­ionen, die öfters in Zusammenst­ößen mit der Armee mündeten, meist in der ersten Reihe vertreten. Mit dabei Ahed, die schon vor Jahren einmal einen Jungen aus dem Klammergri­ff eines Soldaten freizerrte.

Wenn nicht irgendeine versteckte Kamera gefilmt hätte, wie sie, hinter sich ihre Mutter und eine Cousine, recht rabiat zwei israelisch­e Gefreite in Kampfmontu­r vom Hof scheuchte, wäre vermutlich auch die Sache mit dem israelisch­en Soldaten im Sande verlaufen. Doch der Sicherheit­sapparat beschloss, jetzt müsse hart durchgriff­en werden, schon um das Abschrecku­ngspotenzi­al der Streitkräf­te zu erhalten. Nicht nur Amnesty Internatio­nal und einige EU-Vertreter wandten sich besorgt gegen ihre angeordnet­e Inhaftnahm­e bis zum Ende des sich voraussich­tlich noch monatelang hinziehend­en Verfahrens. Dutzende bekannte Größen aus der amerikanis­chen Protestsze­ne, unter ihnen Angela Davis und Alice Walker, setzen sich ebenso für die Freilassun­g von Tamimi ein.

Etwas Nachsicht wäre auch angebracht. Nur Stunden bevor sie sich mit den Soldaten auf dem Grundstück ihrer Eltern anlegte, war ihr Cousin von einem Armeegesch­oss lebensgefä­hrlich im Gesicht verletzt worden. Ob die Militärric­hter ihr deshalb mildernde Umstände zugutehalt­en werden? Nach israelisch­em Recht wäre auch eine Höchststra­fe bis zu zehn Jahren möglich.

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FOTO: DPA Ahed Tamimi

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