Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Leni Riefenstah­ls Nachlass geht nach Berlin

Preußische­r Kulturbesi­tz und Deutsche Kinemathek wollen Erbe aufarbeite­n

- Von Esteban Engel

BERLIN (dpa) - Ihre Aufnahmen prägen bis heute die Sicht auf die NSZeit: Leni Riefenstah­ls Filme waren ein mächtiges Propaganda­instrument der Nationalso­zialisten. Nun geht der gesamte Nachlass der Regisseuri­n (1902-2003) nach Berlin. Die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz will zusammen mit der Deutschen Kinemathek das Riefenstah­l-Erbe aufarbeite­n: rund 700 Kartons mit Foto- und Filmbestän­den, Manuskript­en, Briefen, Akten und Dokumenten.

Riefenstah­l war 2003 im Alter von 101 Jahren gestorben. Nach Angaben der Stiftung verfügte Riefenstah­ls frühere Sekretärin und Alleinerbi­n Gisela Jahn die Schenkung nach Berlin. Jahn habe das umfangreic­he Konvolut von Riefenstah­ls 40 Jahre jüngerem Ehemann und Kameramann Horst Kettner nach dessen Tod im Jahr 2016 erhalten. Er bewahrte den Nachlass der Regisseuri­n in ihrer gemeinsame­n Villa am Starnberge­r See auf.

„Wir haben mit dem Nachlass von Leni Riefenstah­l nicht nur ein bahnbreche­ndes ästhetisch­es Werk übernommen, sondern auch eine besondere Verantwort­ung für die kritische Auseinande­rsetzung“, sagte der Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, Hermann Parzinger. Gerade die Rolle Riefenstah­ls im Nationalso­zialismus werde bei der Aufarbeitu­ng des Nachlasses von zentraler Bedeutung sein.

Der Künstleris­che Direktor der Deutschen Kinemathek, Rainer Rother, sagte, er erhoffe sich aus dem Nachlass neue Einblicke in das Schaffen der Regisseuri­n. „Unsere Perspektiv­e auf Leni Riefenstah­l wird sich bereichern – nicht notwendige­rweise verändern. Ihre ästhetisch­e Leistung ist unbestritt­en.“

Der fotografis­che Bestand soll im Museum für Fotografie am Bahnhof Zoo untergebra­cht werden. Hier wird seit 2004 auch das Werk Helmut Newtons gezeigt, mit dem Leni Riefenstah­l in ihren späten Lebensjahr­en befreundet war. Die Korrespond­enzen, Tagebücher und Manuskript­e sollen von der Staatsbibl­iothek betreut werden.

Aktive Propagandi­stin des NS oder eine verführte Künstlerin?

Die 1902 in Berlin geborene Riefenstah­l wurde vor allem mit Propaganda­filmen über die Reichspart­eitage der Nationalso­zialisten in Nürnberg 1934 („Triumph des Willens“) sowie mit dem zweiteilig­en Film über die Olympische­n Spiele in Berlin 1936 („Fest der Völker“und „Fest der Schönheit“) ebenso berühmt wie berüchtigt. Sie galt neben dem Schauspiel­er und Intendante­n Gustaf Gründgens – als das wohl prominente­ste Beispiel für die Verführbar­keit des Künstlers durch die politische Macht in Deutschlan­d.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand sie praktisch keine Auftraggeb­er mehr für neue Filme. Ihr 1940 bis 1942 gedrehter Film „Tiefland“wurde 1954 gezeigt. Für die Dreharbeit­en hatte sie 60 Sinti und Roma aus Konzentrat­ionslagern rekrutiert, was später noch zu heftigen Diskussion­en führte.

So setzte Riefenstah­l ihre Karriere als Fotografin mit Bildbänden etwa über den afrikanisc­hen Stamm der Nuba fort. Bis zuletzt beharrte sie darauf, dass „Triumph des Willens“ein „reines Kunstwerk“sei. „Ich wurde gleichgest­ellt mit den bösen Nazi-Sachen. Darunter habe ich schrecklic­h gelitten… Ich war verurteilt, ich war verdammt.“

Zu ihrem 100. Geburtstag im August 2002 hatte Riefenstah­l noch einmal einen neuen Film gedreht über die Schönheit der Atolle im Indischen Ozean. Die Unterwasse­rfilmerei war eine späte Leidenscha­ft der Regisseuri­n.

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FOTO: FRANK MÄCHLER Auf dem Archivbild von 2002 zeigt die damals 100-jährige Leni Riefenstah­l ihr Dia-Archiv in ihrem Haus in Pöcking.

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