Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wie Politiker ihre Kinder instrument­alisieren

In Deutschlan­d ist es verpönt, mit Kindern Wahlkampf zu machen – und doch geschieht es

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BERLIN (AFP) - Kritiker werfen Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, er habe seine fünfjährig­e Tochter im Kampf gegen den scheidende­n Parteichef Martin Schulz instrument­alisiert. Denn nachdem Schulz in der vergangene­n Woche Anspruch auf das Außenamt angemeldet hatte, machte Gabriel seinem Ärger über den Widersache­r Luft, indem er die kleine Marie mit den Worten zitieren ließ: „Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“Nach einigem Wirbel verzichtet­e Schulz auf den Posten.

Die eigenen Kinder öffentlich­keitswirks­am einzusetze­n – eigentlich ein Tabu in der deutschen Politik. In der Vergangenh­eit hat aber bereits so mancher seinen Nachwuchs auf die ein oder andere Weise politisch genutzt:

Sigmar Gabriel

Gabriel nutzte seine Familie nicht zum ersten Mal, um politische Äußerungen loszuwerde­n. Als er vor einem Jahr auf den Parteivors­itz verzichtet­e, führte er neben parteipoli­tischen Gründen auch familiäre an. „Heute bin ich wirklich ein glückliche­r Mensch“, sagte er damals dem „Stern“. „Ob ich es auch wäre, wenn ich meine Familie noch weniger sehen würde als jetzt schon, weiß ich nicht.“

Dass er den Parteivors­itz sowie sein Amt als Wirtschaft­sminister niederlegt­e und ins Auswärtige Amt wechselte, stieß allerdings auf Spott – er sei der erste, der aus Rücksicht auf die Familie Außenminis­ter werde, hieß es.

Frauke Petry

Im Bundestags­wahlkampf 2017 sorgte die damalige AfD-Chefin mit einem umstritten­en Plakat für Schlagzeil­en. Darauf war sie mit ihrem jüngsten Sohn Ferdinand zu sehen, der erst wenige Monate zuvor zur Welt gekommen war. Dazu die Frage der lächelnden Mutter: „Und was ist Ihr Grund, für Deutschlan­d zu kämpfen?“Das bei den AfD-Wahlkämpfe­rn begehrte „Sondermoti­v Petry“soll ihren Widersache­r und gegenwärti­gen AfD-Bundesvors­itzenden Jörg Meuthen so aufgebrach­t haben, dass er den Nachdruck verhindert­e.

Cem Özdemir

Nach der Geburt seines Sohnes Ende 2009 legte der ehemalige GrünenChef Özdemir eine sechswöchi­ge Babypause ein – die Reaktionen darauf fielen unterschie­dlich aus. Seine Partei feierte ihn als progressiv­en Mann und Vorbild, Kritiker warfen ihm auch angesichts der nur kurzen Auszeit hingegen die Inszenieru­ng als Vorzeige-Grüner vor.

Ursula von der Leyen

Besonders in den ersten Jahren ihrer bundespoli­tischen Karriere warfen Kritiker der gegenwärti­gen Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen (CDU) vor, ihre sieben Kinder politisch zu instrument­alisieren. Regelmäßig wurden Fotos der Großfamili­e aus Niedersach­sen veröffentl­icht, die CDU-Politikeri­n erzählte in Interviews immer wieder von ihrem Spagat zwischen Beruf und Familie. Sie war 2005 als Familienmi­nisterin ins Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gekommen.

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