Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Fremd auf der Berliner Bühne
Sein erster Auftritt vor der Bundespressekonferenz ist unvergessen. Winfried Kretschmann nimmt gemächlich Platz, er schaut, sehr langsam, in die Runde der Journalisten, und als wegen der ungewohnt langen Pause schon Gelächter aufkommt, sagt er nach einer gefühlten Ewigkeit „Grüß Gott“. Dass jemand diese Grußformel wählt und sich überdies so viel Zeit nimmt, ist in der Hauptstadt ungewöhnlich. Winfried Kretschmann hat in Berlin den Nimbus, eine Kultfigur des Südwestens zu sein, auch wenn man es nicht so ganz versteht. Er gilt als etwas schratig, aber auf jeden Fall sympathisch. Anders als andere Ministerpräsidenten sucht er nicht das Gespräch mit Journalisten, gibt eher spärlich Interviews, und so weiß man in Berlin oft nicht so ganz genau, was Kretschmann eigentlich will. Oder nicht will. Manches, was er will – oder auch nicht –, kann er nicht gegen die Grünen durchsetzen, und so schwebt immer die Frage im Raum: Was passiert jetzt im Bundesrat? Wie verhält sich der grüne Ministerpräsident? So ist Kretschmann vielen ein Rätsel geblieben – und auf jeden Fall ein Phänomen. (sal)