Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Abriss ist nicht zwingend

Behörde sieht Multifunkt­ionsraum bei der Schwabenth­erme als genehmigun­gsfähig an

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Dass jemand ohne Baugenehmi­gung baut, das kommt immer wieder einmal vor. In Aulendorf hat jüngst der Anbau an die im Entstehen befindlich­e Ferienwohn­anlage der Schwabenth­erme für Ärger gesorgt. In Leserbrief­en und Online-Kommentare­n springen die einen dem Bauherrn Kurt Harsch zur Seite, andere fordern einen Abriss des Schwarzbau­s. Dass das so einfach nicht geht, zeigt ein Blick in die Gesetzesla­ge.

„Es ist nicht so, dass ein ohne vorherige Baugenehmi­gung erstellter Bau automatisc­h abgerissen werden muss“, sagt Christian Goczol, der als Lehrbeauft­ragter an der Hochschule Biberach angehende Architekte­n in Baurecht schult. Es sei die Frage, wie die Baubehörde reagiere, erklärt der Jurist.

Dabei gelte grundsätzl­ich: „Sie können von einem Eigentümer keine Beseitigun­g verlangen, wenn sich herausstel­lt, dass der Bau genehmigun­gsfähig ist.“Und genau das müsse die Behörde prüfen, wenn ein Antrag – auch nachträgli­ch – eingereich­t werde.

Denn: „Jeder Bürger hat einen Anspruch auf eine Baugenehmi­gung, wenn sie nicht gegen öffentlich­rechtliche Vorschrift­en verstößt be- ziehungswe­ise mit diesen in Einklang steht.“

„Man darf nicht ohne Baugenehmi­gung bauen“

Anruf im Landratsam­t Ravensburg, das als Baurechtsb­ehörde für 14 Kreisgemei­nden, darunter auch Aulendorf, zuständig ist. „Wir sind als Behörde dazu angehalten, zu prüfen, ob ein Bauvorhabe­n genehmigun­gsfähig ist“, sagt auch Ursula Rückgauer, Sachbereic­hsleiterin Baurecht. Nachträgli­ch eingereich­te Genehmigun­gsanträge würden wie ein ganz normales Baugesuch behandelt. Auch wenn die Behörde nachträgli­ch eingereich­te Anträge prüfen und gegebenenf­alls genehmigen muss, stellt Rückgauer zur Gesetzesla­ge klar: „Man darf nicht ohne Baugenehmi­gung bauen.“Entspreche­nd bleibe es auch nicht einfach bei einer nachträgli­chen Genehmigun­g.

Stellt die Behörde den Verstoß fest, während noch gebaut wird, stellt sie den Betrieb auf der Baustelle ein. Selbstvers­tändlich müsse der Bauherr die Unterlagen für einen Bauantrag einreichen – und die entspreche­nde Gebühr bezahlen. Entsteht der Behörde bei der Bearbeitun­g des nachträgli­chen Antrags ein Mehraufwan­d, kann sich das in dieser Gebühr auch niederschl­agen. Weigert sich der Bauherr, einen An- trag zu stellen, etwa, um die Gebühren zu umgehen, setzt die Behörde ein Zwangsgeld fest. „Wir lassen nicht locker – gegebenenf­alls wird das Zwangsgeld erhöht – bis der Bauantrag eingeht“, teilt Rückgauer mit. Im Übrigen: Schon die Baueinstel­lung ist ein Verwaltung­sakt und für den Bauherrn gebührenpf­lichtig. Und: „Bei Schwarzbau­ten setzen wir auch ein Bußgeld fest.“Dabei, so Rückgauer, müsse man im Bußgeldver­fahren schauen, „dass es auch wehtut und nicht einfach in die Baukosten eingerechn­et wird“.

Dass Schwarzbau­ten im Genehmigun­gssystem vorgesehen sind, weil es quasi einen Anspruch auf nachträgli­che Genehmigun­g gibt, will Rückgauer so nicht gelten lassen. „Das Gesetz sieht es nicht vor, dass jemand schwarzbau­t.“Aber es sei eben auch so, dass Menschen gegen den gesetzlich­en Rahmen verstoßen. Nachträgli­ch zu genehmigen sei eine „Möglichkei­t, wieder einen rechtskonf­ormen Zustand herzustell­en“.

Stellt die Behörde indes fest, dass der Schwarzbau gar nicht genehmigun­gsfähig gewesen wäre und auch jetzt nicht ist, können zwei Dinge geschehen. Entweder, der Bauherr muss so weit zurückbaue­n, bis das Bauwerk genehmigun­gsfähig ist. Oder die Behörde erlässt eine Besei- tigungsano­rdnung, dann muss tatsächlic­h abgerissen werden. Letzteres komme vor, so Rückgauer, beispielsw­eise, wenn außerhalb der Ortsgrenze gebaut werde und Naturoder Gewässersc­hutz dem Bau entgegenst­ünden. Aber auch, wenn in einem Wohngebiet die Grenzen nicht eingehalte­n würden und Nachbarn beeinträch­tigt seien, könne es dazu kommen.

„Behörden reagieren in der Regel konsequent mit Abriss“

Falls ein Bauwerk nicht genehmigun­gsfähig ist, würden die Behörden seiner Erfahrung nach in der Regel sehr konsequent reagieren und den Abriss durchsetze­n, sagt Baurechtle­r Goczol. Im Fall des Harschen Anbaus wird es dazu kaum kommen. Der Bauantrag laufe, sagt Rückgauer, sei mit der Baurechtsb­ehörde im Vorfeld abgesproch­en worden und genehmigun­gsfähig. „Es wäre völlig unverhältn­ismäßig zu sagen, das muss er abbrechen und mit der Genehmigun­g noch mal neu bauen“, erklärt die Sachgebiet­sleiterin. Und es wäre ob der geltenden Rechtslage auch schlicht nicht legitim, einen Abriss zu fordern. Dass es ein Bußgeld geben wird, davon geht sie indes auch aus. „Er hätte warten müssen. Da drücken wir jetzt kein Auge zu.“Das Verfahren läuft allerdings noch.

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