Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Katarina Barley springt Nahles zur Seite

Justizmini­sterin als Spitzenkan­didatin zur EU-Wahl vorgestell­t

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Strahlend stehen sie vor der Kamera: SPD-Parteichef­in Andrea Nahles, der Fraktionsc­hef der Sozialdemo­kraten im Europaparl­ament Udo Bullmann – und der neue Star, die SPD-Spitzenkan­didatin für Europa, Katarina Barley. Zwar war die Nachricht ihrer Nominierun­g etwas früher als geplant bekannt geworden, doch die gute Laune über die Personalie Barley kann das nicht trüben. Überhaupt versucht die SPD in diesen für sie trostlosen Tagen den Blick auf das zu richten, was für sie gut läuft.

Carsten Schneider, der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPDFraktio­n, stellt schon am Morgen den Sitzungska­lender des Bundestags vor und weist auf die „sozialdemo­kratischen Festsspiel­e“hin. In dieser Woche wird im Bundestag die Wiederhers­tellung der Parität bei der gesetzlich­en Krankenver­sicherung behandelt, ein Gesetz, dass sieben Milliarden Euro zu Gunsten der Arbeitnehm­er umschichte­t. Und laut Schneider nebenbei den Charme hat, dass die Arbeitgebe­r, die künftig wieder hälftig beteiligt sind, mehr auf die Effizienz der gesetzlich­en Kassen achten werden.

Sozialdemo­kratische Festspiele

Das Gute Kita-Gesetz, das den Kitas erlaubt, die Beiträge zu senken oder abzuschaff­en, stammt ebenfalls aus der SPD-Feder. Die zweite und dritte Lesung des Gesetzes zur Brückentei­lzeit ist ebenfalls vom SPD-geführten Arbeitsmin­isterium geschaffen worden. Am Freitagmor­gen steht dann noch das Mietrechts­anpassungs­gesetz in erster Lesung an, das den Anstieg von Modernisie­rungsumlag­en begrenzt. Warum nun schlagen sich die sozialdemo­kratischen Festspiele nicht in Wählerstim­men nieder? Carsten Schneider hat dafür nur eine Erklärung: „Die Leute spüren das erst Anfang nächsten Jahres, wenn sie mehr im Portemonna­ie haben.“

In der SPD-Fraktion, so berichtet der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer, sei die Stimmung natürlich erst einmal geprägt „vom niederschm­etternden Wahlergebn­is aus Bayern“, aber dann habe man sofort den Schalter umgelegt und auf Hessen geschaut. In zehn Tagen wird ein neuer Landtag gewählt. Der SPDSpitzen­kandidat Thorsten SchäferGüm­bel sei ein Opposition­sführer, „wie er sein muss, um Ministerpr­äsident zu werden“. Und die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Niedersach­sen hätten auch erst in den letzten beiden Wochen den Dreh bekommen, so Schneider. Mit der Frage, was ist, wenn die Hessen-Wahl auch noch schlimm wird für die SPD, will sich derzeit niemand beschäftig­en.

Mit der europäisch­en Frage schon eher. Denn im Wunsch nach Frieden und Freiheit in Europa steckt sozialdemo­kratisches Herzblut. Einer der Gründe, warum Katarina Barley sich für die Kandidatur entschiede­n hat, obwohl sie auch sehr gerne Justizmini­sterin ist. Berichte, dass sie zuerst abgelehnt habe, Spitzenkan­didatin zu werden, bestätigt sie so halb. Es sei ein längerer Entscheidu­ngsprozess gewesen. Barley gilt als volksnah, und dem SPD-Parteitag erklärte sie einmal die Aussprache ihres Namens: „Barley wie Harley“. Jetzt will sie bei einer Schicksals­wahl Verantwort­ung für Europa übernehmen.. „Ich bin eine geborene Europäerin, ich habe die deutsche und die britische Staatsbürg­erschaft“, so Barley. Sie hat ein Erasmus-Stipendium gehabt und ihre Doktorarbe­it über europäisch­es Recht geschriebe­n. Sie lebt in Trier im Vierländer­eck und hat zwei Söhne, einer ist bereits aus dem Haus. Und da ihr Mann auch zwei Staatsange­hörigkeite­n hat, Spanier und Niederländ­er, haben die Kinder Großeltern aus vier Ländern.

Das Justizmini­sterium in Berlin will sie nicht gleich aufgeben. Sie sei Juristin „durch und durch“, und es gebe wichtige Vorhaben in der Endabstimm­ung. Im übrigen solle man sich keine Sorgen, machen, so Barley, sie sei gewohnt, hart zu arbeiten und man werde sich mit Sicherheit in den nächsten Monaten nicht über sie beschweren können, dass sie eines der beiden Felder nicht ausfülle.

Und wer kommt dann nach Barley? „Da fällt uns bestimmt was sein“, sagt Andrea Nahles. Das ist dann wieder der gewohnt flapsige Ton der SPD-Chefin, der jetzt vorgeworfe­n wird, dass sie sich an einem „Parlaments­kreis

Pferd“beteiligt. Ob sie keine anderen Sorgen habe, heißt es in Fraktionsk­reisen. Allerdings wird genauso vermerkt, dass Nahles hart arbeitet und sich nach der Niederlage in Bayern den Fragen stellt – während von Vizekanzle­r Scholz derzeit wenig zu hören und zu sehen sei.

Widerspruc­h gegen Scholz-Vorstoß

Ganz stimmt das nicht: Scholz hat dem „Handelsbla­tt“zufolge gerade einen Plan für einen Fonds für eine europäisch­e Arbeitslos­enversiche­rung vorgelegt. Danach soll ein Fonds entstehen, der in Zeiten tiefer Einbrüche die nationalen Sicherungs­systeme unterstütz­t. Die Unionsfrak­tion bringt dies gleich auf den Nenner „europäisch­e Arbeitslos­enversiche­rung“und stellt klar, dass so eine „Umverteilu­ng“mit ihr keine Chance habe.

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FOTO: DPA Will als Vorzeige-Europäerin punkten: Justizmini­sterin Katarina Barley.

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