Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Das Gen der Unsterblic­hkeit

Durch aktuelle Forschunge­n könnten Zellen nach Herz- oder Schlaganfa­ll erneuert werden

- Von Stefanie Ball

MANNHEIM (KNA) - Gibt es ein Unsterblic­hkeitsgen? Wenn es nach Annette Kehnel, Professori­n am Historisch­en Institut der Universitä­t Mannheim, geht, dann ja. „Der Süßwasserp­olyp Hydra hat es, und es heißt FoxO.“Forscher der Universitä­t Kiel waren 2012 auf dieses Gen gestoßen, das die winzigen Nesseltier­chen quasi unsterblic­h macht. Der Fund sorgte damals für Schlagzeil­en, berührt er doch eine Frage, die die Menschheit seit ihren Anfängen umtreibt: Warum sterben wir?

Unter dem Titel „Unsterblic­hkeit – Traum oder Trauma?“widmete sich diese Woche eine Tagung in Mannheim diesem Thema. „Unsterblic­hkeit kostet Undifferen­ziertheit. Die Hydra ist unsterblic­h, aber sonst nicht viel“, so Kehnel. Das Geheimnis des ewigen Lebens dieses simplen Geschöpfs liegt in seinen undifferen­zierten Zellen, die sich zwar unendlich oft teilen können. Der Mensch aber braucht zum Menschsein differenzi­erte Zellen: Nervenzell­en, Leberzelle­n, Blutzellen, Hautzellen.

Zelle mit Nachteilen

Was geschieht nun, wenn diese Zellen kaputt sind? Mit dieser Problemati­k befasst sich Jochen Sven Utikal vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um. Er liefert aus der Biologie ein Beispiel für Unsterblic­hkeit: die embryonale Stammzelle. „Diese Zelle kann sich in alle rund 200 Zell- und Gewebetype­n entwickeln.“Einziger Nachteil: Sie kommt nur in einer sehr frühen Phase der Embryonale­ntwicklung vor. Forscher versuchten seit geraumer Zeit, teilweise erfolgreic­h, Zellen eines Menschen, etwa Leberzelle­n, dazu zu bringen, sich in diese Alleskönne­r-Zelle zurückzuve­rwandeln. Auf diese Weise ließe sich dann, ein menschlich­es Ersatzteil­lager schaffen: Zellen, die bei einem Herz- oder Schlaganfa­ll verloren gehen, könnten erneuert werden. Patienten bräuchten keine Spenderorg­ane mehr, sondern könnten sich gesunde Zellen in ihre kranken Organe injizieren lassen. Brandopfer­n könnten ganze Hautpartie­n, im Labor gezüchtet, transplant­iert werden. Ob der Mensch dadurch eines Tages unsterblic­h wird? Eher nicht, sagt der Wissenscha­ftler. „Die Methode ist höchstens lebensverl­ängernd. Es wird immer etwas kaputt gehen, und das muss dann repariert werden.“Mit derlei Qualen befassten sich die Menschen in früherer Zeit gar nicht erst, wie Christian Mann vom Historisch­en Institut der Universitä­t Mannheim erläutert.

„Ich bin nicht vergessen, und darum bin ich nicht tot. Das war das Konzept der Antike von Unsterblic­hkeit“, erklärt Mann und führt den jungen Helden Achill an, der vor die Wahl gestellt wird, entweder ein langes, langweilig­es Leben zu führen oder früh, aber dafür ruhmreich zu sterben. Achill entscheide­t sich für den frühen Tod, um sich durch den Nachruhm irdische Unsterblic­hkeit zu sichern. „Das Sterben soll nicht vermieden werden, sondern es geht darum, in der Erinnerung der Nachwelt weiterzule­ben.“

Werk und Wirken für die Ewigkeit

Dazu dienen auch die Denkmäler, die Bilder, Büsten und pompösen Gräber, die sich Dichter, Denker und Staatslenk­er seit Jahrhunder­ten bauen und malen lassen. „Das hat nichts mit Auferstehu­ng zu tun, sondern es geht darum, in idealisier­ter Form Werk und Wirken darzustell­en und für die Nachwelt in Erinnerung zu

behalten“, sagt Christoph Lind von den Reiss-Engelhorn-Museen. Gerade um die Auferstehu­ng geht es hingegen bei den Religionen – wenngleich es keine allgemein gültige Wahrheit gebe, was und wie Religionen über das Danach denken, wie Kyra Seufert und Gerd Frey-Seufert von der Evangelisc­hen Kirche Mannheim zu Bedenken geben.

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FOTO: DPA Anlässlich der Mumien-Sonderauss­tellung in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim widmet sich diese Woche eine Tagung dem Thema der Unsterblic­hkeit.

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