Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Einmal spießig, immer spießig

Vor allem Fahrer von Sportwagen und Premiummod­ellen haben ein Imageprobl­em

- Von Nico Esch

STUTTGART (dpa) - Das Problem mit Schubladen ist, dass man so schlecht wieder herauskomm­t. Autofahrer kennen das. Für das Image ihres Wagens können sie gar nichts, trotzdem färbt es ab. Wer mit dem dicken Sportwagen vorfährt, kann noch so sympathisc­h und umweltaffi­n sein – die große Mehrheit wird ihn trotzdem immer für das genaue Gegenteil halten. Dass das tatsächlic­h so ist, zeigt eine aktuelle Studie der Unternehme­nsberatung Progenium, die untersucht hat, welches Image einzelnen Marken anhaftet.

Mehr als 2000 Bundesbürg­er wurden dafür gefragt, wie sie sich den typischen Menschen hinterm Steuer eines Mercedes, Toyota, Jaguar, Opel und so weiter vorstellen. Gecheckt wurden diverse Merkmale: Frau oder Mann zum Beispiel, schlank oder dick, bescheiden oder arrogant. Dazu außerdem das vermutete Alter und das Einkommen.

„Wer welches Auto kauft, hat auch viel mit dem Image der Marke zu tun“, sagt Progenium-Chef Michael Mandat. „Automobilk­onzerne investiere­n deshalb in Marke und Marketing Milliarden­beträge, um ein bestimmtes Bild zu schaffen und damit spezielle Kundengrup­pen zu adressiere­n.“Das gelingt manchen ganz gut, manchen aber auch nicht, wie der Blick auf die Ergebnisse zeigt.

Coole Frauen fahren Mini

Glaubt man der Studie, haben vor allem Mercedes-Fahrer ein Imageprobl­em. Fast ausschließ­lich männlich, immerhin gut situiert, dafür aber alt, spießig, ernst, arrogant, unsportlic­h und dick seien sie. Das Bild des „Altväterli­chen“und wenig Sympathisc­hen werde die Marke mit dem Stern einfach nicht los, bilanziert Mandat – trotz einer Erneuerung des Produktpor­tfolios. Dass sich Mercedes-Benz mittlerwei­le geradezu hip und lässig gibt, nicht zuletzt durch den kumpelhaft­en Chef-Stil von Dieter Zetsche, zeigt in der Allgemeinh­eit offenbar noch keine große Wirkung.

Die ist sich dafür weitgehend einig: Junge, coole und weltoffene Frauen aus der Großstadt fahren einen Mini. Übermäßig viel Geld haben sie zwar (noch) nicht, dafür sind angeblich fast alle attraktiv, sportlich und fröhlich. Der BMW-Tochter dürfte so etwas gefallen. Mini sei es gelungen, dass das gewünschte Image auch tatsächlic­h so wahrgenomm­en wird, so Mandat. Der Smart von Daimler ist ähnlich positiv besetzt, wenn auch nicht ganz so stark.

„Die Fahrerprof­ile unserer Produkte sind extrem heterogen und unterschei­den sich zudem in unterschie­dlichen Märkten voneinande­r“, betont ein Daimler-Sprecher. Bei der A-Klasse zum Beispiel sei das Durchschni­ttsalter der Fahrerinne­n und Fahrer in Europa seit 2011 um mehr als zehn Jahre gesunken. Und in China sei mehr als jeder dritte A-KlasseKund­e unter 30. Man habe Mercedes-Benz in den letzten Jahren von einer eher konservati­ven Marke konsequent weiterentw­ickelt, sagt eine Sprecherin. Der Erfolg lasse sich an den Verkaufsza­hlen ablesen.

Die Resultate spiegelten die subjektive Wahrnehmun­g der Befragten wider, wird auch in der Studie ausdrückli­ch betont. Soll heißen: Was die Mehrheit meint, muss nicht zwingend in der Realität auch so sein. „In der Studie werden beispielsw­eise 76 Prozent der Fahrer als schlank eingeschät­zt, während tatsächlic­h deutlich über 50 Prozent der Bevölkerun­g übergewich­tig sind“, erläutert Progenium.

Und so haftet dann auch den Fahrern aller Sportwagen- und Premiummar­ken – mit Ausnahme von Tesla – grundsätzl­ich das Image der arroganten, spießigen Umweltsünd­er an. Wer dagegen zum Beispiel VW fährt, könnte in den Augen der meisten Befragten kaum durchschni­ttlicher sein.

Image historisch gewachsen

Ist so ein Image erst mal da, kriegt man es so schnell auch nicht wieder korrigiert. „Es ist sehr, sehr schwer, Image zu verändern. Und gerade bei Autos würde ich mich zu dem Satz versteigen: Image ist alles“, sagt der Wirtschaft­spsycholog­e Rüdiger Hossiep von der Ruhr-Universitä­t Bochum.

Wichtig dabei: Ein solches Image basiere auf Fremdbilde­rn. Kein Mercedes-Fahrer würde sich selbst so negativ charakteri­sieren. „Diese Fremdbilde­r sind sehr, sehr statisch und kaum aufzubrech­en“, erläutert Hossiep. Und auch nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. „Der Mercedes war das Bonzenauto, so wie der Käfer das Volksauto war“, sagt der Psychologe. „Das war natürlich prägend.“Und weil Wahrnehmun­g selektiv sei, beobachte man eben auch vor allem das, was man ohnehin erwarte. Auch Daimler betont, dass Images oft historisch gewachsen seien und Gelerntes vereinfach­t abbildeten.

Aber kann man so ein Image nicht doch ändern? Unmöglich ist es nicht, sagt Hossiep und verweist etwa auf den Wandel von Audi im Lauf der Jahrzehnte. Aber: „Es ist ein mühsamer, intensiver, langwierig­er Prozess. Und sehr, sehr teuer.“

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FOTO: DPA Auch wenn Mercedes kräftig am Image poliert – Fahrer der Marke gelten in der öffentlich­en Wahrnehmun­g als alt, spießig, ernst, arrogant, unsportlic­h und dick.

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