Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Pils Nummer 2 war eines zu viel

Vor 50 Jahren hat Olympia seinen ersten Dopingfall, den des mit 0.81 Promille erwischten Hans-Gunnar Liljenwall

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MEXIKO-STADT (SID) - Eigentlich hatte Hans-Gunnar Liljenwall gar nichts so Schlimmes getan. Vor dem Schießen bei den Olympische­n Spielen im Oktober 1968 in Mexiko-Stadt genehmigte sich der Moderne Fünfkämpfe­r mit seinen schwedisch­en Teamkolleg­en Björn Ferm und Hans Jacobson gemütlich zwei Pils. Mehr durften es nicht sein, das hatten sie zur Genüge getestet. Doch für Liljenwall war an diesem Tag das zweite Glas zu viel. Mit 0,81 Promille hatte der Pentathlet das Limit von 0,5 überschrit­ten – und Olympia den ersten Dopingfall seiner Geschichte.

Dabei wollten Liljenwall und Kollegen lediglich ihr Nervenkost­üm beruhigen. Das Trio lag nach den ersten beiden Tagen mit Reiten und Fechten gut im Rennen. An Tag drei ging es an die Waffe, da musste die Hand ruhig bleiben. Und so griffen in der Fünfkämpfe­rszene damals offenbar fast alle zu den Gläsern. „Das haben doch viele so gemacht“, sagte Liljenwall, „die Franzosen haben dann ein Glas Wein getrunken.“

Bronze war weg

Bis heute kann sich Liljenwall die krasse Abweichung von der Norm nicht erklären. „Wir haben das vorher immer wieder überprüft und ausprobier­t, es war sicher“, sagt der 77-Jährige. War es aber nicht, denn sein Körper spielte an diesem Tag offenbar verrückt. „Ich hatte einen dreimal so hohen Alkoholgeh­alt wie meine Kameraden“, erinnert sich Liljenwall, „wir sind zwar nacheinand­er getestet worden, aber das erklärt den großen Unterschie­d nicht. Dazu kommt, dass ich größer bin als die anderen.“

Doch die Formel „Mehr Körpermass­e verträgt mehr Alkohol“griff nicht. Und so wurde Hans-Gunnar Liljenwall als erster Olympiaspo­rtler disqualifi­ziert, die Bronzemeda­ille Schwedens Team aberkannt. Björn Ferm dagegen wurde Olympiasie­ger im Einzel, dort hatte Liljenwall Platz elf belegt. „Ich bin froh, dass ich nicht auch noch im Einzel eine Medaille geholt habe. Dann hätte ich beide abgeben müssen“, sagt Liljenwall. Mexiko hat er inzwischen abgehakt: „Daran denke ich nicht mehr so oft.“

Vielleicht hätte ihm damals ein zweiter Test geholfen. Doch eine B-Probe gab es bei der olympische­n Premiere von Dopingtest­s noch nicht. Das Kontrollsy­stem steckte noch in den Kinderschu­hen. Erst im Mai 1967 hatte das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) bei der Session in Neu Delhi beschlosse­n, ab 1968 bei Olympia Tests auf verbotene Substanzen durchzufüh­ren.

Es sollte weitere 20 Jahre dauern, bis Olympia endgültig seine Unschuld verlor. 1988 in Seoul wurde Sprinterst­ar Ben Johnson nach seinem Goldtriump­h über Carl Lewis des Stanozolol-Dopings überführt. Mit zwei Pils alleine hätte der Kanadier wohl kaum triumphier­t.

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FOTO: IMAGO Da war Hans-Gunnar Liljenwall­s Welt bei den Spielen 1968 noch in Ordnung: Geritten sind die Fünfkämpfe­r vor dem Schießen.

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