Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eine Armee von Hunden – und der „heilige Antoine“

Frankreich schwärmt von seinen Weltmeiste­rn, nur Matchwinne­r Griezmann meckert in der Kabine

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PARIS (dpa/SID) - Nach dem Erfolg über den Vorgänger ging die WMStimmung im Fußball-Weltmeiste­rland Frankreich nochmal in die Verlängeru­ng. „Es ist jeden Tag der 15. Juli“, schrieb „Le Parisien“über das 2:1 in der Nations League gegen Deutschlan­d und erinnerte an den Tag des WM-Triumphs in Moskau vor drei Monaten. Dass die Équipe Tricolore um Doppeltors­chütze Antoine Griezmann siegte, obwohl sie vom jungen, neuformier­ten DFB-Team über lange Zeit in Bedrängnis gebracht worden war, wurde eher als Beleg für die Stärke des Star-Ensembles von Trainer Didier Deschamps gesehen.

Die französisc­he Mannschaft habe „die beste Mentalität der Welt, einen Griezmann, der in Schlüsselm­omenten trifft, einen Toptorhüte­r und eine Armee von Hunden unter der Führung von Kanté, die zum Opfer bereit ist. Das Ganze ist ein Team, mit einem inspiriert­en Deschamps“, schwärmte „Le Parisien“.

„Die Weltmeiste­r haben ihren Vorgänger bezwungen: Ein Doppelpack von Antoine Griezmann hat den Blauen ein symbolisch­es 2:1 gegen ein Deutschlan­d voller Zweifel beschert“, schrieb „Nice-Matin“. „Eine erste Halbzeit nicht auf dem Niveau eines Weltmeiste­rteams“, stellte immerhin Frankreich­s Sport-Bibel „L'Équipe“fest. „Aber dann Charakter, um sich durchzuset­zen.“

Frankreich scheint sich noch immer an seiner Party in Russland zu berauschen. Das Team mit den Superstars wie Emile Mbappé, Paul Pogba oder Griezmann deutet nach dem WM-Triumph keinen Spannungsa­bfall an. Auch auf die überrasche­nde Aufstellun­g und Taktik von Bundestrai­ner Joachim Löw wusste das Champion-Team im Stade de France in Paris – wenn auch mit Verzögerun­g und nach Rückstand – zu reagieren.

Lob an Deutschlan­d

„Sie hätten uns wesentlich mehr Schmerzen zuführen können, sie hatten wesentlich mehr Chancen in der ersten Halbzeit als wir“, gestand Trainer Deschamps einen Tag nach seinem 50. Geburtstag. „Dass wir gegen die gute deutsche Mannschaft ein gutes Spiel gezeigt haben, gibt uns noch mehr Kraft.“Siege seien „Vitamine für eine Mannschaft“– und könnten auch den Gruppenerf­olg bringen. „Wir haben jetzt sieben Punkte, aber man muss die Arbeit erst zu Ende bringen“, meinte der Trainer. „Wir müssen in Holland mindestens einen Punkt holen. Jetzt sind wir auf einem guten Weg.“

Griezmann, Held des Abends, hatte sich etwas Neues einfallen lassen. Er hampelte nicht mehr herum nach seinen Toren, formte mit Daumen und Zeigefinge­rn auch nicht mehr das „L“für „Take the Loss“, akzeptiere die Niederlage. Nein, gegen Deutschlan­d beließ er es bei einem beinahe unauffälli­gen Handwackel­n, das sah so aus, als winke ein König seinen Untertanen zu – und in der Tat ist es ja so: Frankreich lag Griezmann zu Füßen.

„L’Équipe“bezeichnet­e ihn als „heiligen Antoine“, und feierte den „blauen Fuß“des Angreifers. Es war allerdings zunächst der Kopf, mit dem der 175 Zentimeter große Griezmann eine ungefährli­ch wirkende Flanke wunderschö­n in das deutsche Tor lenkte. Ein kleines Kunstwerk.

Griezmann kann auch rustikal. Zumindest in der Ansprache. Die erste Halbzeit missfiel ihm sehr, in der Kabine soll er laut geworden sein: Der ein oder andere zeige nicht genügend Einsatz, so der Vorwurf an die Mitspieler. Ja, sagte Deschamps, „es gab dieses Problem“. Griezmann aber „muss die Motivation nicht auf diese Art forcieren“. „In der ersten Halbzeit waren wir nicht wir selbst“, bemängelte Griezmann später, „nicht in den Zweikämpfe­n, und nicht in der Unterstütz­ung der Mitspieler“. Es sei nötig, wieder mit der Einstellun­g wie bei der WM zu Werke zu gehen, auch wenn es „physisch und mental schwierig“sei.

Die Kritikpunk­te waren schon fünf Tage zuvor beim arg schmeichel­haften 2:2 gegen Island zu sehen gewesen: Der Weltmeiste­r ruht sich zuerst auf seinem Lorbeer aus, es fehlt der letzte Einsatz. Gegen Island brachte erst die Einwechslu­ng von Kylian Mbappé eine halbe Stunde vor dem Abpfiff die Wende, diesmal war es Griezmann. Mit bisher sieben Treffern 2018 ist er der beste Torschütze von Les Bleus und nun mit insgesamt 26 Treffern siebtbeste­r Franzose aller Zeiten. „Das ist wunderschö­n“, sagte er, „es ermutigt mich, nach mehr zu streben.“

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FOTO: DPA Der Mann, der mit der Hand wackelt: Torschütze Antoine Griezmann jubelt mit Olivier Giroud (links) und Blaise Matuidi (rechts).

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