Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Harfe aus Stahl wird achtzig

Symbol für Optimismus in schwierige­n Zeiten: 1937 wurde die Golden Gate Bridge in San Francisco eingeweiht

- Von Frank Herrmann

SAN FRANCISCO - Es ist der Nebel, der berühmte, berüchtigt­e Nebel, mit etwas Glück ein fantastisc­hes Fotomotiv. Wer einmal auf den Hügeln am Golden Gate stand und zusah, wie die rot schimmernd­e Brücke komplett in milchigen Schwaden verschwind­et, bevor vielleicht irgendwann ein Pfeilerfra­gment daraus auftaucht, als ragte es aus den Wolken, der wird das Schauspiel so schnell nicht vergessen. Am Samstag wird die Golden Gate Bridge 80 Jahre alt, und es kann durchaus passieren, dass niemand sie in voller Schönheit zu Gesicht bekommt. Sondern allenfalls in einem Meer aus Watte.

Die Brücke am Goldenen Tor, sie war einmal die längste Hängebrück­e der Welt. 2737 Meter lang, hielt sie den Rekord, bis sie 1964 von der Verrazano Narrows Bridge in New York abgelöst wurde. Heute liegt sie nur noch auf dem neunten Platz der globalen Rangliste, die angeführt wird von der japanische­n Akashi-KaikyoBrüc­ke. Die Schönste aber ist sie noch immer. Eine „Harfe aus Stahl“, wie Lokalrepor­ter schon am Tag ihrer Einweihung dichteten.

Maler bessern ständig aus

An durchschni­ttlichen Tagen, so viel zu den prosaische­n Fakten, fahren rund 40 000 Autos über die Brücke. Wobei es am 17. Oktober 1989 viermal so viele waren, die Folge eines schweren Bebens. Die Erdstöße hatten die Bay Bridge von San Francisco nach Oakland beschädigt, ausgerechn­et während eines Baseballsp­iels vor Zehntausen­den Zuschauern. Die Golden Gate Bridge hingegen war heil geblieben, sodass der Verkehr über sie umgeleitet wurde. An ihrem 50. Geburtstag hatte die Brücke den bislang härtesten Test zu bestehen. 300 000 Feiernde liefen zugleich übers Golden Gate, und die Fahrtrasse, sonst leicht nach oben gebogen, drückte sich, aus der Ferne gut zu erkennen, bedrohlich nach unten durch.

Viele Besucher beschäftig­t die Frage, wie oft die Pfeiler und Seile aus Stahl gestrichen werden müssen, um der korrodiere­nden Wirkung der feuchtkalt­en Nebelbänke standzuhal­ten. Manche glauben, dies geschehe alle sieben Jahre. Doch das sei genauso falsch wie die Annahme, dass man gleich wieder von vorne beginne, sobald man einmal durch sei, teilte die Brückenver­waltung zum Jubiläum mit. In Wahrheit seien die Maler ständig im Einsatz, und zwar schlicht an den Stellen, die frische Farbe nötig hätten.

Apropos Farbe, das berühmte „Internatio­nal Orange“, das ins Rötliche gehende Orange. Ursprüngli­ch waren Schwarz oder Grau die Favoriten, dagegen aber protestier­te die Kriegsmari­ne, die ihre Schiffe bei schlechtem Wetter gegen Pfeiler prallen sah, die sich kaum von ihrer Umgebung abhoben. Die Idee eines gelbschwar­z gewürfelte­n Musters wurde wieder verworfen. Dass die Wahl auf „Internatio­nal Orange“fiel, hatte mit dem Ausgangsma­terial zu tun. In orangerote­n Tönen war der Stahl, zunächst nur vorgestric­hen, aus den Hochöfen Pennsylvan­ias an die Westküste transporti­ert worden. Letzten Endes gefiel es den Bauherren so gut, dass sie es dabei beließen.

Die Brücke gilt als ein Beispiel für den Sinn ambitionie­rter Großprojek­te in einer Krise. Im Januar 1933, beim ersten Spatenstic­h, steckten die USA mitten in der Großen Depression. Am 27. Mai 1937 war das Tal noch nicht durchschri­tten, umso mehr trug das Wunderwerk dazu bei, den angekratzt­en Optimismus neu zu beflügeln.

Der erste Entwurf fiel durch

Golden Gate, der Name geht auf einen Captain der US-Armee zurück, einen gewissen John Fremont. Beim Anblick der hügelgesäu­mten Meerenge musste Fremont ans Goldene Horn in Istanbul denken, weshalb er dessen westliches Pendant Goldenes Tor nannte. 1846 war das, gut 70 Jahre bevor Joseph Strauss für den Bau einer Brücke zu werben begann. Der Ingenieur aus Chicago, ein schmächtig­es Energiebün­del, war die treibende Kraft. Die besten Ideen steuerten andere bei. Strauss‘ erster Entwurf war so klobig, dass er durchfiel. Ihre schlichte Eleganz verdankt die Brücke zwei Fachleuten, die im Schatten des geltungssü­chtigen Chefs standen: Leon Moisseiff und Charles Ellis. Während Strauss ein Denkmal bekam, wurde Ellis bei der Premierenp­arty nicht einmal erwähnt.

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FOTO: IMAGO Man muss schon Glück haben, um als Besucher einen Blick auf die wohl berühmtest­e Brücke der Welt zu erhaschen. Denn oft verschwind­et die Golden Gate Bridge komplett in den Nebelschwa­den.

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