Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gruppenver­gewaltigun­g auf Video

Acht Jugendlich­e filmen Missbrauch von 13-jährigem Mädchen bei Wuppertal

- Von Florentine Dame

VELBERT (dpa) - Wann immer Jugendlich­e anderen Jugendlich­en Gewalt antun, löst das Entsetzen aus – erst recht, wenn es um einen Fall brutalen sexuellen Missbrauch­s einer 13-Jährigen geht, wie er nun aus Velbert bei Wuppertal bekannt geworden ist. Dort sollen acht Jugendlich­e zwischen 14 und 16 Jahren einem Mädchen nachgestel­lt, sich brutal an ihr vergangen und die Taten auch noch gefilmt haben.

Ein Blick in die Kriminalst­atistik offenbart: Gruppenver­gewaltigun­gen sind kein Einzelfall. Wir erfahren nur öfter von ihnen, sagen Psychologe­n. Wie zum Beispiel Anfang des Jahres von einer Clique aus dem Ruhrgebiet, die immer wieder Mädchen in eine Falle gelockt und vergewalti­gt haben soll. 2017 machte ein Fall aus Chicago internatio­nal Schlagzeil­en: Bei Facebook hatten rund 40 Menschen live mitverfolg­en können, wie mehrere Menschen eine 15-Jährige vergewalti­gten.

Das brutale Verbrechen in Velbert wurde erst jetzt, Monate später öffentlich, weil Polizei und Staatsanwa­ltschaft lange versucht hatten, das schwer traumatisi­erte Opfer zu schützen. Sie war am 21. April in einem Schwimmbad von mehreren Teenagern angemacht und belästigt worden, berichtet Wolf-Tilman Baumert, Sprecher der ermittelnd­en Wuppertale­r Staatsanwa­ltschaft. Als sie sich auf den Heimweg durch einen Wald machte, soll sie von mindestens acht Jugendlich­en angegriffe­n worden sein.

Dabei sei sie mehrfach Opfer schwerwieg­ender Sexualstra­ftaten geworden – auf Handyvideo gebannt. Baumert spricht von „drastische­n Szenen“. Erst als eine Spaziergän­gerin die Jungen zur Rede stellen wollte, ergriffen sie die Flucht. Sechs von ihnen sitzen in U-Haft, nach zwei weiteren wird gefahndet. Alle Tatverdäch­tigen gingen in Velbert zur Schule, sie stammen aus Bulgarien.

Sexualdeli­kte, in denen mehrere Männer über Frauen herfallen, beschäftig­en Polizei und Staatsanwa­ltschaft in Deutschlan­d laut Polizeilic­her Kriminalst­atistik seit Jahren auf stets ähnlichem Niveau. So ermittelte­n die Behörden 2017 gegen 467 Tatverdäch­tige, die an Gruppenver­gewaltigun­gen beteiligt gewesen sein sollen – mehr als ein Drittel von ihnen sind Jugendlich­e oder Heranwachs­ende unter 21 Jahren, in aller Regel männlich. „So etwas hat es auch in der Vergangenh­eit schon gegeben, heute werden solche Verbrechen jedoch stärker wahrgenomm­en“, sagt der Kriminalps­ychologe Rudolf Egg. Auch weil in Zeiten von Smartphone­s die Dokumentat­ion des eigenen Verbrechen­s so leicht geworden sei. Hinzu komme in manchen Fällen auch der Reiz, vor breitem Publikum zu protzen – etwa dann, wenn Täter gefilmte Gewaltszen­en ins Internet stellten. „Durch Filmen kann man auch den Tatrausch verlängern, wenn man die Tat nachher noch mal anschaut“, ergänzt der Psychother­apeut und Experte für Täterverha­lten, Christian Lüdke. „Moderne Handys und Internet erleichter­n die Tatgelegen­heit, schaffen sie aber nicht“, betont Egg. Sexualstra­ftäter würden häufig ihre Taten aufzeichne­n, fotografie­ren, festhalten – auch wenn sie sich damit dem Risiko, überführt zu werden, aussetzten. „Die Kamera läuft mit – und zwar aus ganz ähnlichen Motiven, wie wir im Urlaub Fotos machen: Die Täter wollen sie sich nach der Tat anschauen, sie anderen zeigen und auch damit prahlen“, sagt er. „Es kann ihnen auch um eine besondere Demütigung des Opfers gehen.“

Gefährlich­e Kombinatio­n

Ähnlich sieht es Prof. Thomas Bliesener: Generell neigten wir alle dazu, ungewöhnli­che Dinge im Bild festzuhalt­en, sagt der Direktor des Kriminolog­ischen Instituts Niedersach­sen in Hannover. Jedoch seien solche Filme von Straftaten vor zehn oder zwanzig Jahren noch undenkbar gewesen. „Heutzutage ist die entspreche­nde Technik am Smartphone allzeit verfügbar“, betonte Bliesener.

Die Fachleute sehen bei Gruppenver­gewaltigun­gen eine gefährlich­e Kombinatio­n von Sexualität, Machtdemon­stration und Gruppendyn­amik am Werk: Es gebe Anführer, die andere anstecken, Mitläufer, die zu feige seien, einzuschre­iten, und Mittäter, die ihre Position in der Gruppe aufwerten wollen, erklärt Egg. „Wir wissen aus Untersuchu­ngen, dass gerade bei Jugendlich­en die Risikobere­itschaft in Gruppen höher ist“, erklärt Bliesener. Die Bereitscha­ft für Grenzübers­chreitunge­n steige in Gruppen.

Ähnlich sieht es Lüdke: „Je größer die Gruppe, desto unwahrsche­inlicher ist es, dass einer Stopp sagt.“

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FOTO: OLIVER BERG Auf dem Heimweg nach einem Freibadbes­uch sollen mehrere Jungen eine 13-Jährige in einen Wald gezerrt und missbrauch­t haben.

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