Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Videobewei­s – Kritiker fürchten WM-Chaos

VAR feiert Turnier-Premiere – Robert Hartmann prophezeit Überraschu­ngen

- Von Felix Alex und Agenturen

MOSKAU - Zuletzt brachte es sogar Joseph Blatter, dessen Ansichten nicht mehr allzu häufig mit denen der restlichen Fußballwel­t kompatibel sind, auf den Punkt. „Da stehen mir meine letzten Haare zu Berge“, sagte der Ex-Präsident des Weltverban­des FIFA mit Blick auf auf den Einsatz des Videobewei­ses bei der WM in Russland im „11Freunde-Sonderheft“: „Wie kann man etwas zulassen, das nicht ausgereift ist?“

Genau wie der gesperrte Schweizer fürchten viele Experten ein Desaster bei der WM-Premiere des Hilfsmitte­ls. Dem widersprac­hen die Schiedsric­hterbosse der FIFA energisch. „Wir sind bereit. Wir wissen, dass wir bereit sein müssen. Das ist kein Experiment hier“, sagte FIFADirekt­or Massimo Busacca.

Die Gründe für die Befürchtun­gen liegen nicht zuletzt in Deutschlan­d. Seit zwei Jahren üben die Bundesliga-Schiedsric­hter den Umgang mit dem Hilfsmitte­l. Ein Jahr im stillen Kämmerlein, ein Jahr im tatsächlic­hen Ligabetrie­b. Herausgeko­mmen sind allzu oft weiterhin strittige Szenen und massive Diskussion­en um Sinn und Zweck der Neuerung. Es könnte ein Vorgeschma­ck auf das gewesen sein, was bei der WM unter den Augen der Welt passiert.

Das Chaos scheint programmie­rt. Schließlic­h hat die Mehrheit der 35 Schiedsric­hter um Brych (München) und der 13 Video-Assistente­n keine praktische Erfahrung mit dem Hilfsmitte­l. Dennoch ist der in Wangen im Allgäu lebende DFB-Schiedsric­hter Robert Hartmann sicher, dass es nicht zum kompletten Chaos kommt: „Der Videobewei­s ist ja das Steckenpfe­rd der FIFA, deshalb wird sie auch alles daran setzen, dass es möglichst reibungslo­s funktionie­rt.“

Dennoch glaubt der 38-Jährige an Aufreger. „Es wird zu einigen spannenden Szenen und Überraschu­ngen kommen. Sicher auch zu Korrekture­n nach 30 oder 45 Sekunden, wo so mancher Fan sagt: Das ist nicht mehr mein Spiel.`Aber wenn ein entscheide­ndes Tor korrigiert wird, macht es die WM unter dem Strich gerechter“, ist sich Hartmann sicher.

Überraschu­ngen vorprogram­miert

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin macht dagegen keinen Hehl daraus, dass er die Einführung für falsch hält. „Es ist eine Tatsache, dass der Videobewei­s in den Ligen, in denen er bereits Anwendung findet, ein großes Durcheinan­der verursacht hat“, sagte er dem „kicker“: „Ist die WM die geeignete Bühne, eine neue Technik auszuteste­n? Eines ist klar: Es wird dort viele unklare Situatione­n geben.“Dass diese generell nicht zu verhindern sind, weiß auch Hartmann. „Es wird immer Szenen geben, die auch nach Ansicht der Videobilde­r nicht klar sind und Interpreta­tionsspiel­raum zulassen.“

Dass es dennoch reibungslo­s abläuft, dazu sollen die nun anwendbare­n virtuellen Abseitslin­ien sowie der transparen­te Ablauf beitragen. Laut FIFA werden Wiederholu­ngen und Grafiken auf den Anzeigetaf­eln zu sehen sein. Zudem sollen Informatio­nen aus den Gesprächen zwischen Schiedsric­htern und VideoAssis­tenten an die TV- sowie RadioKomme­ntatoren weitergele­itet werden. Trotz allem äußert sich der Schweizer Ex-Referee Urs Meier im „kicker“skeptisch: „Diese WM kommt zu früh für den Videobewei­s. Die WM ist ein Premiumpro­dukt, das keine Experiment­e verdient.“

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FOTO: DPA Im Blickpunkt – Roberto Rosetti ist der Leiter des VAR-Projekts.

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