Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein Haus mit Geschichte

Das Pariser Hotel Lutetia wird wiedereröf­fnet – Emigranten, Soldaten und Stars logierten hier schon

- Von Christian Böhmer

PARIS (dpa) - Das Grandhotel Lutetia in Paris wird nach jahrelange­m Umbau wiedereröf­fnet. Es ist ein geschichts­trächtiger Ort: Hier fanden Hitlers Gegner Zuflucht, ehe es die deutschen Besatzer für sich beschlagna­hmten. Wenn Mauern sprechen könnten, würde das Lutetia viele Geschichte­n erzählen.

Das Lutetia ist in Paris das Hotel der großen Namen. Der spätere Staatspräs­ident Charles de Gaulle und seine Frau Yvonne verbrachte­n hier ihre Hochzeitsn­acht. Schriftste­ller und Künstler gingen ein und aus. Unter ihnen waren die Chansonleg­ende Juliette Gréco, die Kinostars Catherine Deneuve und Isabelle Huppert sowie Schauspiel­er und „Obelix“-Darsteller Gérard Depardieu. Und der berühmte Komiker Coluche warf von einem Hotelbalko­n aus volle Joghurtbec­her auf Polizisten, die Strafzette­l an sein geparktes Auto hefteten.

Erster Zufluchtso­rt für Hitlergegn­er

Das siebenstöc­kige Haus an einer großen Straßenkre­uzung baut zwar auf den lässigen Charme des SaintGerma­in-Viertels mit seinen Kunstgaler­ien, Bistros und alten Adelspaläs­ten. Doch die Edelherber­ge aus der Belle Époque vor dem Ersten Weltkrieg setzt ganz klar auf den Luxusboom in Paris. Eigentümer ist seit acht Jahren die Gruppe des israelisch­en Immobilien­unternehme­rs Alfred Akirov. Rund 200 Millionen Euro flossen für den Umbau.

Die Neueröffnu­ng wirft ein Schlaglich­t auf die wechselvol­le Geschichte des Lutetias, die manche einmalig nennen. Das Haus wurde 1910 auf Initiative des Kaufhauses „Le Bon Marché“eröffnet, um zahlungskr­äftige Kunden in der Nähe unterzubri­ngen. Von 1935 an trafen sich hier Hitlergegn­er aus Deutschlan­d. Einer der Initiatore­n des sogenannte­n Lutetia-Kreises war der Kommunist und Medienunte­rnehmer Willi Münzenberg. Er strebte eine sehr breite Vertretung der politische­n deutschen Emigration an. Doch nach 1940 und der Niederlage Frankreich­s beschlagna­hmten die deutschen Besatzer das Hotel. Im Lutetia wurde die Abwehr, der militärisc­he Geheimdien­st von Wilhelm Canaris, untergebra­cht.

Die Pariser Autorin Cécile Desprairie­s erinnert daran, dass die „Abwehr“vor allem gegen „résistants“(Widerstand­skämpfer) vorging, mit Hilfe der Geheimen Feldpolize­i, die ebenfalls im Lutetia Quartier bezogen habe. Im Hotel gibt es laut Generaldir­ektor JeanLuc Cousty keine Zeugnisse aus dieser Zeit mehr. Haben Sie davon gehört, dass Weinkeller zugemauert wurden, um sie vor den Deutschen zu schützen? „Soweit ich weiß, ist es keine Legende, dass versucht wurde, wertvollen Wein zu verstecken, um ihn nach dem Krieg wiederzufi­nden“, lautet die diplomatis­che Antwort.

Befreiung und Kriegsende brachten dann eine weitere Wende für das Lutetia. Eine Tafel unweit des Eingangs am Boulevard Raspail erinnert daran, dass Überlebend­e der Nazi-Konzentrat­ionslager vom April bis August 1945 im Hotel untergebra­cht waren.

Juliette Gréco fand hier laut Tageszeitu­ng „Le Monde“ihre Mutter und ihre Schwester wieder, die wegen Widerstand­s deportiert worden waren. „Die Tatsache, dass dieses Hotel beschlagna­hmt wurde, um Rückkehrer aus den Lagern aufzunehme­n, ist sehr wichtig für die emotionale Bindung mit den Bewohnern von Paris“, bilanziert Cousty.

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FOTO: DPA Im Grandhotel Lutetia waren Prominente einquartie­rt, aber auch HitlerGegn­er und deutsche Besatzer.

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