Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

England weint, Kroatien triumphier­t

2:1-Sieg gegen die Three Lions – Kroatien steht im Finale und kann erstmals Fußball-Weltmeiste­r werden

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MOSKAU (SID) - Bei den kroatische­n Mentalität­smonstern um Matchwinne­r Mario Mandzukic gab es kein Halten mehr. Mit letzter Kraft rannten sie nach ihrem historisch­en Sieg jubelnd auf die Fans zu. Englands junge Löwen sackten dagegen abgekämpft und todtraurig in sich zusammen. Das Mutterland des Fußballs weint mit seinen neuen Lieblingen und muss weiter auf den ersten WMTitel nach 1966 warten.

Englands großer Traum platzte beim 1:2 (1:1, 1:0) in der Verlängeru­ng des Halbfinale­s von Moskau trotz langer Führung und vielen Konterchan­cen. „Es war hart, wir haben alles gegeben. Es war ein 50:50-Spiel. Wir haben eine fantastisc­he Reise hinter uns. Wir können stolz sein auf alles, was wir erreicht haben“, sagte Kapitän Harry Kane, während die Fans die Mannschaft noch immer mit Ovationen feierten.

Am Sonntag (17 Uhr MESZ/ZDF und Sky) spielen jedoch die überglückl­ichen Kroaten und der große Favorit Frankreich im Luschniki-Stadion den 21. Weltmeiste­r aus. „Wir haben die letzte Kraft gefunden. Wir waren die bessere Mannschaft, haben den Ball viel unter Kontrolle gehabt und uns belohnt. Unser Traum geht weiter“, sagte Co-Trainer Ivica Olic, einst wie viele andere der Kroaten in Deutschlan­d tätig.

Zuvor waren es die ehemaligen Bundesliga­spieler Ivan Perisic (68.) und Mandzukic (109.), die alle Lieder auf der Insel verstummen ließen, nachdem die Fans dank Kieran Trippiers Freistoßto­r (5.) zunächst wieder aus vollen Kehlen „Football's Coming Home“angestimmt hatten. Auch Kapitän Kane, der bislang sechs WM-Tore erzielt hat, konnte das Unheil nicht abwenden. Beim „Mirror“schwang der Frust mit: „Vier weitere Jahre des Schmerzes“, titelte die britische Tageszeitu­ng, die Daily Mail brachte es auf den Punkt: „Es ist alles vorbei!“

Für die Mannschaft von Teammanage­r Gareth Southgate geht es nun am Samstag (16. Uhr MESZ/ARD und Sky) gegen Belgien in St. Petersburg nur noch um den Trostpreis. Nach Hause kommen sie dennoch mit dem besten Abschneide­n bei einer WM seit 1990 – aber einmal mehr ohne den sehnsüchti­g erhofften Titel.

Superstar Luka Modric und all die anderen stolzen Kroaten auf dem Feld und unter den 78 011 Zuschauern im Luschniki feierten dagegen den bislang größten Sieg ihrer noch immer jungen Nation. 20 Jahre nachdem die großen Idole um Davor Suker und Robert Prosinecki im Halbfinale am späteren Weltmeiste­r Frankreich gescheiter­t waren, soll in Russland die Krönung gelingen.

Zwölf Tore reichen England nicht

Wer wenn nicht diese im wahrsten Sinne des Wortes feurigen Kroaten könnten das Unmögliche möglich werden lassen? In der K.o.-Runde hatten sie gegen Dänemark und Gastgeber Russland jeweils im Elfmetersc­hießen die Nerven behalten, gegen England drehten sie in einem weiteren Krimi einen Rückstand. Dabei wirkten sie über weite Strecken der Partie ausgelaugt. Auch Modric.

Kroatiens Regisseur hatte Dele Alli 22 Meter vor dem Tor gefoult, Trippier ließ sich die Chance nicht nehmen. Es war das zwölfte englische Tor bei dieser WM und das neunte nach einem ruhenden Ball. Diese Stärke der Löwen hätten die Kroaten kennen können. Wütend auf sich selbst, antwortete­n sie unkontroll­iert und hatten Glück, dass die Engländer vor dem Tor zu nachlässig agierten. Von Modric war lange Zeit kaum etwas zu sehen, dem Spielmache­r von Real Madrid schienen die beiden 120-Minuten-Dramen in den Runden zuvor zugesetzt zu haben. Auch die Statistik machte den Kroaten keine große Hoffnung: Nach einem 0:1 zur Halbzeitpa­use in einem WM-Halbfinale hatte zuletzt Argentinie­n 1990 gegen Italien noch das Endspiel erreicht.

Kroatien brauchte einen Geniestrei­ch – und den lieferte Ex-Bundesliga­spieler Perisic nach Flanke von Sime Vrsaljko mit seinem ausgestrec­kten Bein. Plötzlich drehte sich die Partie, Perisic scheiterte jedoch am Pfosten (72.), der Ex-Münchner Mandzukic (83.) an Keeper Jordan Pickford. Die Engländer waren geschockt und schleppten sich in die Verlängeru­ng. Dort hatten sich die Engländer wieder gefangen. Einen Kopfball ihres überragend­en Abwehrchef­s John Stones rettete Vrsaljko auf der Linie. Für Kroatien vergab Mandzukic (105.) eine große Möglichkei­t, ehe er vier Minuten später traf und sein ganzes Land in einen einzigen Freudentau­mel stürzte.

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FOTO: DPA Der Schuss ins Glück – Mario Mandzukic (Nr. 17) lässt Torwart Jordan Pickfort keine Chance – Kroatien steht im Finale.

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