Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ohne mein Tier in den Urlaub? Tiersitter sind gefragter denn je

Mitnehmen ist nicht jedermanns Sache – In den Sommermona­ten landen durchschni­ttlich 70 000 Tiere in den Tierheimen

- Von Anika von Greve-Dierfeld

KARLSRUHE (lsw) - „Miau“und „schnurr“. Mehr haben Jacky, Momo, Ronja und Mimi erst mal nicht zu sagen, als Tiersitter­in Sabine Pester die Tür aufschließ­t. Die eigentlich­en Besitzer der vier Katzen sind seit zwei Wochen im Urlaub, und die Tiere freuen sich sichtlich, als die 48-Jährige die Wohnung betritt. Sie haben Hunger und Pester füllt erst mal schnell vier Metallnäpf­e mit Futter. „Gestern hatten wir Fisch mit Soße, heute gibt’s Ente und Leber in Gelee“, sagt sie, ununterbro­chen mit den Katzen plaudernd, und schüttet den Inhalt der Tütchen in die Schalen. Einmal am Tag kommt sie vorbei, füttert die Katzen, putzt die Katzenklos, kämmt das Katzenfell, fegt die Katzenhaar­e vom Boden. Eine Stunde Zuwendung für die Tiere, dann muss Pester wieder weg, nächster Kundenbesu­ch steht an.

Ohne Leute wie Pester könnten viele Tierbesitz­er nicht in den Urlaub. Nicht jeder hat Nachbarn, Freunde oder Verwandte, die täglich zu Hause vorbeischa­uen und Haustiere betreuen können oder mögen, wenn Herrchen und Frauchen mal wegwollen. „Und nimm du mein Tier während meines Urlaubs, ich nehm dann auch dein Tier, das funktionie­rt auch nicht immer“, sagt eine Sprecherin des Deutschen Tierschutz­bundes.

In Deutschlan­d tummeln sich zahllose Anbieter, die Tiere in deren Zuhause betreuen oder auch Tierpensio­nen betreiben. Manche verdienen sich als mobile Betreuer einfach inoffiziel­l ein paar Euro dazu, viele aber agieren mit eigenen Angeboten, Homepages, Preisliste­n und Qualifikat­ionen. Zahlen dazu gibt es nach Angaben des Tierschutz­bundes nicht, ebenso wenig wie Angaben zur Zahl der Tierbesitz­er, die solche Angebote nutzen. Dass der Bedarf an Tiersitter­n oder -pensionen groß sein dürfte, zeigt aber ein Blick auf den Heimtierma­rkt in Deutschlan­d: Laut einer im Mai vorgestell­ten repräsenta­tiven Umfrage des Industriev­erbandes Heimtierbe­darf und des Zentralver­bands Zoologisch­er Fachbetrie­be Deutschlan­ds lebten im vergangene­n Jahr über 34 Millionen Hunde, Katzen, Meerschwei­nchen, Vögel und Co. in deutschen Haushalten – 2,7 Millionen mehr als im Jahr davor.

Sabine Pester arbeitet erst seit Anfang 2016 hauptberuf­lich als Tierbetreu­erin. Fast drei Viertel ihrer Aufträge gelten der mobilen Betreuung, heißt: Pester fährt von Haushalt zu Haushalt, schließt Türen zu hungrigen Haustieren auf und hinter satten wieder zu. Sie läuft mit Hunden spazieren, streut Schildkröt­en Löwenzahnb­lätter hin, reinigt Vogelkäfig­e, versorgt kranke Tiere mit Medi- kamenten. Einmal kümmerte sie sich um 30 Hühner.

Wer zu Pester in deren Katzenpens­ion kommt, dürfte ziemlich überrascht sein. Drei wie Kinderzimm­er eingericht­ete Räume sind mit riesigen Plüsch-Kratzbäume­n ausgestatt­et, mit Bett, Sofa, passendem Teppich und einer Katzenlamp­e an der Decke. Tierisches Spielzeug hält die beiden Katzengäst­e Kira und Freddy bei Laune, die gerade in ihren Gemächern abhängen. Ihre Dienste sind vor allem in den Ferien gefragt – traurige Hochsaison übrigens auch für Tierheime. „Grob können wir sagen, dass jedes Jahr durchschni­ttlich 70 000 Tiere in den Sommermona­ten in den Tierheimen des Deutschen Tierschutz­bundes neu aufgenomme­n werden“, sagt eine Sprecherin.

Pester, unter anderem übrigens Hundephysi­otherapeut­in, nimmt ihre Arbeit sehr ernst und ist inzwischen im Fulltime-Job mit Leib und Seele dabei. Neben Füttern und Säubern ist die Liebe – auch zum „fremden“– Tier ihr wichtig: „Streicheln, Herzen, Drücken, Knuddeln, Herumtrage­n, Bürsten, Kämmen, Kraulen, Küsschen geben … Volles Programm.“Die 48-Jährige ist ganzjährig ausgebucht.

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FOTO: DPA Sabine Pester gibt den Katzen Futter.

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