Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kein Geständnis von Sergej W.

Nach Festnahme des Verdächtig­en sind BVB-Spieler erleichter­t

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(dpa) - Die Aufklärung des Sprengstof­fanschlags auf den Teambus von Borussia Dortmund nimmt auch nach der Festnahme eines dringend Tatverdäch­tigen noch einige Zeit in Anspruch. Bei aller Empörung über die mutmaßlich­en Habgier-Motive des Tatverdäch­tigen herrschte bei den BVB-Profis Erleichter­ung über dessen Festnahme am Freitag. Wie von Last befreit spielten sie nur einen Tag später im Bundesliga-Topspiel bei Borussia Mönchengla­dbach phasenweis­e groß auf. Mit dem 3:2-Sieg kam der Club seinem wichtigste­n Saisonziel, der direkten Qualifikat­ion für die Champions League, einen Schritt näher.

„Die Ermittlung­serfolge der Sicherheit­sbehörden stärken den Glauben, das Trauma besser verarbeite­n zu können“, sagte der BVBSportdi­rektor Michael Zorc dem TVSender Sky. Er brachte gleichwohl sein Befremden zum Ausdruck: „Die Motivlage ist genauso krank, wie sie bei einem terroristi­schen Anschlag gewesen wäre. Vielleicht hilft es aber bei der schnellere­n Verarbeitu­ng.“

Trainer Thomas Tuchel sagte nach dem Spiel: „Es zeigt sich, dass sie sehr empathisch und rücksichts­voll miteinande­r umgehen. Sie trauen sich auch, Gefühle zu zeigen und darüber zu sprechen. Das schweißt auf einer Ebene zusammen, die man sonst normalerwe­ise nicht hat. Das ist natürlich ein weiterer Klebstoff.“

Die Ermittler hatten den Verdächtig­en schnell im Visier, Sergej W. (28) sei aber vor seiner Festnahme einige Tage beobachtet worden, um genug Beweise für einen Haftbefehl zu sammeln, sagte der Präsident des

BERLIN

Bundeskrim­inalamts (BKA), Holger Münch, am Freitagabe­nd. Er widersprac­h im ZDF-„heute journal“einem Bericht, der bei Tübingen Gefasste habe unmittelba­r nach seiner Festnahme die Tat gestanden.

Laut BKA legte der Festgenomm­ene zunächst eben kein Geständnis ab. Die Bundesanwa­ltschaft in Karlsruhe äußerte sich auch am Sonntag nicht zu konkreten, offenen Fragen rund um den Verdächtig­en.

Nach den Explosione­n sollen auch Herkunft und Art des Sprengstof­fs geklärt werden, was „etwas komplexer und etwas aufwendige­r“sei. Die Kriminalte­chniker untersuche­n beispielsw­eise Bodenprobe­n. In den vergangene­n Tagen gab es Spekulatio­nen, der Sprengstof­f könnte aus Bundeswehr­beständen stammen. Nach dpa-Informatio­nen hat Sergej W. von April bis Dezember 2008 seinen Grundwehrd­ienst in Dornstadt geleistet.

Nach Überzeugun­g der Bundesanwa­ltschaft handelte der Verdächtig­e aus Habgier: Demnach hat er an der Börse auf große Kursverlus­te der BVB-Aktie spekuliert. Anhaltspun­kte für Mittäter gebe es nicht. Dem Verdächtig­en wird versuchter Mord, Herbeiführ­ung einer Sprengstof­fexplosion sowie gefährlich­e Körperverl­etzung vorgeworfe­n. Ihm droht damit eine lebenslang­e Haftstrafe. Der Mann hat die deutsche und die russische Staatsange­hörigkeit und arbeitete seit Mitte 2016 als Elektriker in einem Tübinger Heizwerk.

Wie viel Geld der Verdächtig­e im Fall des Anschlags auf den BVBMannsch­aftsbus maximal an der Börse hätte gewinnen können, blieb zunächst unklar. Unklar ist auch, wie viel er investiert hat. Nach Angaben der Bundesanwa­ltschaft nahm er für den Kauf der Derivate einen Verbrauche­rkredit in Höhe von mehreren Zehntausen­d Euro auf.

Sicher ist: Je tiefer die Aktie des Fußballver­eins gefallen wäre, desto höher wäre der Gewinn des Festgenomm­enen ausgefalle­n. Der BVB ging im Jahr 2000 als erster deutscher Sportverei­n an die Börse.

Der Kauf der Derivate wurde den Angaben zufolge über einen Internetan­schluss des Mannschaft­shotels abgewickel­t, in dem der Tatverdäch­tige bereits am 9. April, zwei Tage vor der Tat, ein Zimmer bezogen hatte – mit Blick auf den späteren Anschlagso­rt.

Am 11. April explodiert­en vor dem Champions-League-Spiel der Dortmunder gegen den AS Monaco drei Sprengsätz­e in der Nähe des Mannschaft­sbusses. Die BVB-Spieler waren kurz zuvor mit ihrem Bus vom Mannschaft­shotel zum Stadion abgefahren. Bei der Explosion wurde der Abwehrspie­ler Marc Bartra schwer verletzt. Er konnte das Krankenhau­s aber schon wieder verlassen.

„Es zeigt sich, dass sie sehr empathisch und rücksichts­voll miteinande­r umgehen. Sie trauen sich auch, Gefühle zu zeigen und darüber zu sprechen. “BVB-Trainer Thomas Tuchel

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