Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kraft tanken in der Heimat

Der neue Weihbischo­f Matthäus Karrer zieht sich gerne nach Deuchelrie­d zurück

- Von Jan Scharpenbe­rg und Katja Korf

Der aus Deuchelrie­d stammende Matthäus Karrer wird am morgigen Sonntag im Rottenburg­er Dom St. Martin feierlich als Weihbischo­f der Diozöse Rottenburg-Stuttgart eingesetzt. Der 48 Jahre alte Karrer löst Johannes Kreidler ab, der seit 1991 Weihbischo­f der Diozöse war. Besuche in der Heimat werden damit wohl seltener.

Zwischen Wirtschaft und Kirche in Deuchelrie­d ist Matthäus Karrer aufgewachs­en. Seine Eltern wohnen immer noch in einem Haus hinter dem Gasthof Adler, den sie mehrere Jahrzehnte betrieben. Direkt daneben befindet sich die St. Petrus Kirche. „Wenn früher in der Kirche ein Ministrant ausgefalle­n ist, dann kam der Pfarrer rüber in die Wirtschaft und hat sich den Matthäus als Ersatz geholt“, erzählt Alois Karrer über seinen Sohn, der seit dem achten Lebensjahr in der Kirchengem­einde aktiv war.

70- bis 80-Stunden-Woche

Der idyllisch gelegene Wangener Teilort ist immer noch der Rückzugsor­t, an dem Matthäus Karrer Kraft tankt. Im Haus seiner Eltern hat er eine Wohnung. In diese hat er sich auch drei Tage vor seiner Weihe zurückgezo­gen, um sich in aller Ruhe vorzuberei­ten. „In Rottenburg bin ich sozusagen immer im Dienst. Auch wenn ich privat unterwegs bin. Hier in Deuchelrie­d bin ich einfach Matthäus Karrer“, sagt er. Das brauche er mindestens einmal im Monat. „Ich schlafe hier einfach viel besser. Im Sommer jogge ich über die Wiesen und durch das Wäldchen hinter dem Haus. Im Winter mache ich dort Skilanglau­f. Hier bekomme ich einfach den Kopf frei“, erzählt er. Stressig sei der Job in Rottenburg bei einer 70- bis 80-Stunden-Woche. Seit 2011 ist er dort als Domkapitul­ar unter anderem in leitender Funktion für die Hauptabtei­lung Pastorale Konzeption tätig.

Da komme schon mal ein Anruf der Mama, dass er sich auch mal zurücknehm­en soll. Elisabeth und Alois Karrer müssen es wissen. Viel Stress sei es gewesen, den Gasthof zu betreiben. Es ist Matthäus Karrer bis heute ein mahnendes Beispiel, dass Arbeit nicht alles ist. Aber er ist auch dankbar für die Erfahrunge­n, die er selbst dort sammeln konnte. Sein Organisati­onstalent habe er von seiner Mutter in der Gastronomi­e gelernt, erzählt er. Karrer würde auch heute gerne den Auszubilde­nden in der Kirche raten: „Macht doch mal drei Monate eine Saison in der Gastronomi­e mit. Da lernt man Menschen in all ihren Facetten kennen“. Teamplay und vor allem eine gewisse Stressresi­stenz könne man sich nirgendwo so gut aneignen wie dort. In seiner Zeit als Jugendpfar­rer in Ravensburg habe er an Weihnachte­n immer noch in der Spülküche des Gasthofs ausgeholfe­n.

Die Verbundenh­eit mit seiner Familie und seiner Heimat war es auch, die bei ihm für ein wenig Skepsis gegenüber der neuen Aufgabe gesorgt hat. Für Besuche in Deuchelrie­d bleibe jetzt einfach weniger Zeit. „Ich habe zum Bischof Gebhart Fürst im Spaß gesagt, dass er jetzt erst einmal meine Mutter überzeugen müsse“, erzählt Karrer grinsend. Die habe die Nachricht der Ernennung mit einem lachenden und einem weinenden Auge angenommen. Natürlich sei es für ihn eine Auszeichnu­ng seiner Arbeit, aber es wäre nun eben auch klar, was die nächsten 25 Jahre bringen würden, erzählt er über seine Zweifel.

Menschen erreichen

Auch in Zukunft wird Matthäus Karrer als Weihbischo­f in der Rottenburg­er Diözese verantwort­lich sein für die Hauptabtei­lung Pastorale Konzeption. Wie sehen Gemeinden vor Ort aus? Wie erreicht die Kirche die Menschen? Solche und weitere Fragen beschäftig­en ihn. „Wir haben immer auch einen missionari­schen Anspruch und wollen uns nicht nur auf die Menschen konzentrie­ren, die jeden Sonntag in die Kirche kommen“, sagt Karrer. Zu stark habe die Kirche in der Vergangenh­eit nach innen geschaut statt nach außen. „Wir müssen von einer ,Komm-her-Kirche‘ mehr zu einer ,Geh-hin-Kirche‘ werden“, so Karrer. Deswegen besuche er gerne Veranstalt­ungen in der Politik oder Kultur ohne dabei eine Funktion zu haben, um auch als Mensch greifbar zu sein. So wie er auch in seiner Heimat Deuchelrie­d wahrgenomm­en wird.

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FOTO: JAN SCHARPENBE­RG Bereits mit acht Jahren war Weihbischo­f Matthäus Karrer in der St. Petrus Kirche in Deuchelrie­d als Ministrant aktiv.

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