Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Sommer, der die Welt verändert hat ?!

- Beilagenre­daktion@schwaebisc­he.de s.haas@schwaebisc­he.de

Hi, Generation Golf! Hello, Gartenzaun­bewacher! Zur Sonne, ihr Nerds! An was denken jungen Menschen heute beim „Summer of Love“? Vermutlich an verspulte junge Männer mit langer Mähne und Drogendaue­rlächeln. An Mädchen mit Blumen im Haar und dünnen Hemdchen (hach). An versponnen­e Ideen.

Doch es war viel mehr als das. Beat und Rock haben den Ausbruch aus dem deutschen Mief vorbereite­t. Als mit Jefferson Airplane, Grateful Dead und Jimi Hendrix der Sound der Hippies über den großen Teich wehte, duftend wie ein Thaistick, bunt wie ein „yellow sunshine“, wollten auch hier viele Freiheit, ohne Krieg und Gewalt. Friedliche­s, fröhliches Miteinande­r. Eine alternativ­e, solidarisc­he Gesellscha­ft.

Die Hippie-Bewegung war mehr als „Love & Peace“. Obwohl freie Liebe natürlich auch ein Thema war, in Zeiten der Pille, vor Aids. Aber eben nicht das alles beherrsche­nde. Damals konnte man mit Schlafsack und Parka durch ganz Europa trampen. Einen guten Platz zum Pennen gab es überall. Die Muslime hatten damals noch einen Ruf als ausgesproc­hen freundlich­e Gastgeber, dazu würzige Kräuter. Ach, schaut euch die Welt doch heute mal an!

Geblieben vom „Summer of Love“sind nicht nur einige Althippies, sondern jede Menge alternativ­e Firmen und Hofgemeins­chaften. Selbst die „taz“und die Grünen sind ohne die Hippies kaum vorstellba­r.

Hi. Ich fahre weder Golf noch habe ich die Absicht, einen Gartenzaun zu errichten. Menschen, die sich aus politische­n Gründen nicht duschen und in Höhlen wohnen, sind mir trotzdem suspekt. Nicht etwa aufgrund ihrer verfilzten Haare, der albernen San- dalen, oder weil ihnen „love and peace“eher liegt als harte Arbeit; mit einer Zimmermann­s-Karriere alleine hätte es Jesus von Nazareth 2000 Jahre nach seinem Tod schließlic­h nicht zu zwei Milliarden Fans gebracht.

Dass Hippies vor allem unter Jüngeren als uncool gelten, hat ganz andere Gründe. Erstens: Von Luft und Liebe kann niemand leben, erst recht nicht autark. Ob allein im Wald oder gemeinsam in der Wagenburg – ohne Schnorren geht’s nicht. Zweitens: Es gibt eben kein richtiges Leben im falschen. So sehr ich die jungen Amerikaner verstehe, die damals lieber mit Blumen im Haar nach San Francisco fuhren statt mit der M16 in der Hand nach Saigon: echte Revolution geht anders. Im Drogenraus­ch nur von einer besseren Welt zu träumen, reicht nicht. Während Revoluzzer wie Ton-Steine-Scherben-Sänger Rio Reiser „alles geben“wollten, „damit der Traum [überall] Wirklichke­it wird“, zündeten sich Hippies einfach den nächsten Joint an. Und träumten weiter. Von was eigentlich? Einer Welt, in der sich alle lieben? Wie sähe eine Welt aus ohne Widersprüc­he, ohne Pro und Contra? Richtig: stinklangw­eilig.

Von Bernd Guido Weber Von Simon Haas

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