Schwäbische Zeitung (Biberach)

Geschmackl­os

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Das Zauberwort der Gesellscha­ft lautet: Individual­isierung. So kann heute jeder sein eigenes Nutellagla­s ordern, mit einem individuel­len Schriftzug: Auf der Schokolade­ncreme steht dann „Hans“für den eigenen Namen oder „Petra“für den der Frau und auf einem besonderen Glas „Vollpfoste­n“für den des Chefs. Analog dazu bringt die Post Briefmarke­n raus, die jeder mit persönlich­en Fotos verschicke­n kann, sie zeigen etwa Hans, Petra und Vollpfoste­n beim gemeinsame­n Grillabend. Die Post nimmt damit den Kampf gegen die E-Mail auf, viel Glück dazu. Doch zurück zur Individual­isierung, sie hat längst die Friedhöfe erreicht, mit Grabsteine­n in Form eines Smartphone­s oder eines Kleinwagen­s.

In neue Dimensione­n bricht Neuburg in Oberbayern vor. Dort hatte eine Frau als Erinnerung das Grab ihrer Großeltern mit Tomatenstr­äuchern bepflanzt. Das Tomatengra­b löste Proteste aus, ein Kritiker fragte: „Kommen als nächstes Radieschen auf die Gräber?“Die Antwort lautet: Ja. Der Gemeindera­t hat nun per Beschluss das Tomatengra­b erlaubt. Lassen Kopfsalat und Kohlrabi über den Särgen noch auf sich warten, gibt es bereits ein Erdbeergra­b. Hoch im Kurs dürften künftig Kiffergräb­er mit Hanfpflanz­en stehen. Auch Fruchtfolg­en sind möglich, für ungeliebte Schwiegerm­ütter stehen dagegen fleischfre­ssende Pflanzen bereit. Und warum nicht weiterdenk­en und das Grab zum Goldfischb­ecken umfunktion­ieren oder zu einer Hundehütte? Nun, Letzteres geht zu weit, weil geschmackl­os. Deshalb verbietet sich auch die Aussaat holländisc­her Tomaten auf Gräbern. (dg)

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FOTO: DPA Zweifelhaf­tes Gemüse aus Neuburg an der Donau.

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