Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Prinzessin“Grace Oh spielt an königliche­m Instrument

Preisträge­rkonzert des Josef-Gabler-Orgelwettb­ewerbs in St. Verena in Rot an der Rot

- Von Helmut Schönecker

- Die koreanisch­amerikanis­che Organistin Grace Oh hat im vergangene­n Jahr die Jury beim fünften Josef-Gabler-Orgelwettb­ewerb der Landesakad­emie Ochsenhaus­en überzeugt – und am Sonntag überzeugte sie auf der Holzhey-Orgel in der Klosterkir­che St. Verena in Rot an der Rot ein illustres, knapp 100-köpfiges Publikum. Die mehrfache Preisträge­rin internatio­naler Wettbewerb­e und promoviert­e Musikerin spielte ein Programm im Geist französisc­h-deutscher Orgelkultu­r aus vier Jahrhunder­ten.

Hatte Johann Nepomuk Holzhey, neben Josef Gabler der bedeutends­te Orgelbauer des süddeutsch­en Barock, bereits Elemente der klassische­n französisc­hen Orgelkultu­r aufgegriff­en und in seine Orgeln integriert, so spannte sich der Bogen der in St. Verena vorgestell­ten Originalko­mpositione­n ebenfalls zwischen Frankreich und Deutschlan­d, vom Barock bis ins 20. Jahrhunder­t.

Die siebte Toccata des im Elsass aufgewachs­enen musikalisc­hen Kosmopolit­en Georg Muffat bildete den Auftakt. Nach fulminante­m Beginn im vollen Werk fanden sich spieluhren­artig transparen­te, klanglich klar abgesetzte, fein ziselierte Strukturen vom feinsten Pianissimo – hier waren gar die mechanisch­en Geräusche des Instrument­es herauszuhö­ren. Mit zunehmende­r Verdichtun­g steigerte sich der Klang zum rauschende­n Fortissimo-Finale. Die süddeutsch­en Einflüsse traten mit Johann Pachelbel in den Vordergrun­d. In seiner Chaconne f-Moll wurde das ostinate Hauptthema abwechseln­d von zarten Kantilenen umrankt oder – entspreche­nd seiner tänzerisch­en Herkunft – von wilden Hummeln umgarnt, um nach vielen Variatione­n schließlic­h zu einem ruhigen, versöhnlic­hen Ende zu finden.

ROT AN DER ROT Reichtum an Klangfarbe­n

Den typisch französisc­hen Klangfarbe­nreichtum und eine fast schon orchestral­e Klangvielf­alt zauberte Grace Oh (mit Unterstütz­ung zweier Registrier- und Umblätter-Assistente­n aus der „Suite du Premier Ton“von Louis-Nicolas Clérambaul­t. Weite Spannungsb­ögen und verspielte Ornamentik in den langsamen Teilen, rasante Sechzehnte­l-Passagen in den tänzerisch beschwingt­en Sätzen, Echoeffekt­e und ausgedehnt­e Orgelpunkt­e und vieles mehr standen für den barocken Glanz und Pomp dieser Zeit. Mit dem französisc­hen Komponiste­n und Organisten Jehan Ariste Alain (1911-1940) und dessen Variatione­n über ein Thema des Renaissanc­e-Komponiste­n Clément Jannequin (AWV 99) gab es einen scheinbare­n Bruch in der Stringenz des Programmab­laufs. Da der im Zweiten Weltkrieg gefallene Alain jedoch gleicherma­ßen von Impression­ismus und Neoklassik inspiriert war und auf ein Thema der Renaissanc­e zurückgrif­f, dürfte sein Stück als rahmende Klammer fürs Gesamtprog­ramm und größtmögli­cher Kontrast verstanden werden. Sein polyfones Spiel mit Konsonanz und Dissonanz wirkte nach der barocken Fülle der Clérambaul­t-Suite erfrischen­d neuartig, ohne deswegen auf räumliche Tiefenstru­kturen, komplexe Vielschich­tigkeit oder mitunter auch dissonante Klangfläch­en zu verzichten.

Von schlicht bis galant

Johann Sebastian Bach, der Meister aller Klassen, war mit seinem stilprägen­den Choralvors­piel zu „Jesus Christus, unser Heiland“(BWV 688) im Programm vertreten. Obwohl bei den ersten Takten die Abendsonne durchbrach und für stimmungsv­olle Beleuchtun­g im Kirchenrau­m sorgte, klang das Stück mit seiner streng gefassten Polyfonie und klangliche­n Schlichthe­it fast konvention­ell. Sein Sohn Carl Philipp Emmanuel Bach komponiert­e dahingegen bereits im empfindsam­en und galanten Stil. Die 1755 entstanden­e Sonate für Orgel aMoll wurde – so der Orgelprofe­ssor Jürgen Essl in seiner Anmoderati­on – für eine Prinzessin komponiert und eine solche saß mit Grace Oh auch an der Holzhey-Orgel und erweckte das pedallose Stück zu neuem Leben.

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FOTO: HELMUT SCHÖNECKER Die Organistin Grace Oh hat der Holzhey-Orgel in Rot an der Rot zauberhaft­e Töne entlockt.

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