Schwäbische Zeitung (Biberach)
Notärzte dringend gesucht
Im Raum Riedlingen gibt es immer wieder Lücken bei der Notarzt-Versorgung
- Wenn ein medizinischer Notfall eintritt, muss es fix gehen. So schnell wie möglich sollten Notarzt und Rettungsdienst da sein. Sollten. Denn immer wieder ist in Riedlingen nachts oder am Wochenende kein Notarzt verfügbar. Dann fährt der Rettungsdienst alleine zum Notfallort und es müssen Notärzte aus Biberach oder Sigmaringen alarmiert werden – mit entsprechenden Verzögerungen. Die Sana GmbH, die für die Notarzteinteilung zuständig ist, weiß um die Problematik – und hat erste Maßnahmen beschlossen (siehe Kasten).
„In der Tat sind in Riedlingen in jüngster Zeit vereinzelt Lücken in der Notarztdienst-Besetzung aufgetreten“, heißt es von Dr. David Albrecht, Leiter der Notarztdienste im Kreis Biberach und von Dr. Ulrich Mohl, Ärztlicher Direktor der Sana-Kliniken im Landkreis Biberach. Von 7 bis 17 Uhr wird der Notarztdienst von den Anästhesisten der Klinik abgedeckt, nachts und am Wochenende von freien Notärzten. Wenn sich welche finden.
RIEDLINGEN Weitere Standorte lückenlos besetzt
Konkret waren im Mai fünf Dienste unbesetzt und im Juni sechs. Auch umliegende Rettungsdienstbereiche hätten zunehmend Schwierigkeiten, die Notarztversorgung sicherzustellen, so Mohl und Albrecht. Allerdings gelingt es derzeit an den anderen fünf Notarztstandorten im Kreis (Biberach, Bad Schussenried, Ochsenhausen, Schwendi und Laupheim), die Notarztschichten durchgehend zu besetzen, heißt es von Sana.
Zwei Gründe machen die Verantwortlichen bei Sana für die Schwierigkeiten in Riedlingen geltend. Die Notarztdienste außerhalb der Zeiten, die durch Klinikdienste abgedeckt sind, werden seit Jahren durch eine kleine Gruppe von Notärzten in nebenberuflicher Tätigkeit geleistet. Jeder von ihnen habe sechs bis acht Dienste im Monat übernommen. Doch zwei Notärzte hätten sich aus dieser Nebentätigkeit zurückgezogen, ein weiterer falle krankheitsbedingt aus.
Der zweite Grund: die Vergütung. Diese richtet sich nach der Rahmenvereinbarung mit der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) und setzt sich zusammen aus einer Pauschale und einer Vergütung für jeden Notarzteinsatz. „Da im ländlichen Raum die Einsatzhäufigkeit viel geringer ist als in größeren Städten, sind ländliche Standorte aus Vergütungssicht weniger attraktiv für die Notärzte“, heißt es. Zudem wohnen im ländlichen Raum wenige aktive Notärzte und da Notarztdienste bevorzugt heimatnah geleistet werden, sei es im ländlichen Raum schwierig, Ärzte zu gewinnen.
Doch so einleuchtend die Gründe sein mögen, die Folgen spüren die Bürger bereits. Immer wieder ist ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) mit Sigmaringer Nummer in Riedlingen zu sehen, fährt ein NEF aus Biberach die Raumschaft an oder wird ein Hubschrauber zu einem Notfall gerufen. Ist der Riedlinger Notarztstandort nicht besetzt, wird der nächstgelegene freie Notarzt alarmiert, wie der Leiter des DRK-Rettungsdiensts im Kreis Biberach, Michael Mutschler, bestätigt. In der Ausrückeordnung sind für jeden Ort die nächstgelegenen zwei Notarztstandorte für eine alternative Alarmierung hinterlegt. Da das Gebiet der Rettungswache Riedlingen von Tigerfeld bis nach Pistre und Uttenweiler reicht, werden je nach Notfallort unterschiedliche Rettungswachen alarmiert.
Trotzdem: Eine Alternativalarmierung bedeute, dass der Notarzt deutlich später am Einsatzort eintrifft und eine Lücke am eigentlichen Standort reißt. Weil auch dort meist nur ein Notarzt vorhanden ist. „An ländlichen Standorten mit zwei bis drei Einsätzen/24 Stunden ist zwar die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass zeitgleich ein Paralleleinsatz anfällt. Dennoch dürfen Fehlzeiten keineswegs großzügig in Kauf genommen werden, sondern müssen mit allen Mitteln lückenlose Dienstpläne gewährleistet werden“, heißt es von der Sana. Allerdings: Sollte das Tätigkeitsspektrum an der Klinik in Riedlingen mittelfristig eingeschränkt werden, wäre dies auf Dauer umso schwieriger, weil die Dienste der Klinikärzte auch abgedeckt werden müssten.
Notärzte oder Notfallsanitäter?
Und wie sieht die Zukunft im Rettungswesen aus? Michael Mutschler könnte sich vorstellen, dass in Deutschland langfristig ein System etabliert wird, das an den Paramedics in den USA oder in Schweden erinnert, die ohne Notarzt unterwegs sind. Auch in Deutschland gibt es neuerdings die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter, denen invasive Maßnahmen erlaubt sein sollen.
Mohl und Albrecht setzen auf das Notarztsystem: „Das notarztbasierte Rettungswesen bedeutet eine hervorragende Versorgungsqualität und sollte auch in Zukunft beibehalten werden. Notärzte sind aus unserer Sicht hierfür weiterhin erforderlich. Unser Beitrag als Sana-Kliniken Landkreis Biberach besteht darin, dass wir den Ärzten in unseren Krankenhäusern die Zusatzweiterbildung zum Notarzt gezielt fördern und sämtliche Kosten hierfür übernehmen.“