Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wenn das Virus im Reiseprovi­ant steckt

Thomas Miller vom Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamt über die Afrikanisc­he Schweinepe­st

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AULENDORF - Am Staatliche­n Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamt in Aulendorf untersuche­n knapp 90 Mitarbeite­r mehr als 700 000 Proben im Jahr. Sie testen Milch, Blut oder auch Gewebe, um herauszufi­nden, wie gesund oder krank die Tiere sind oder woran sie gestorben sind. Paulina Stumm hat mit Amtsleiter Thomas Miller über die Bekämpfung von Tierseuche­n gesprochen, aber auch einiges über Krankheite­n rund ums Vogelhäusc­hen und den Fall, bei dem ein Zierfisch seinen Besitzer mit Tuberkulos­e angesteckt hat, erfahren.

Die tödlich verlaufend­e Afrikanisc­he Schweinepe­st gehört zu den Tierseuche­n, die derzeit in den Fokus der Aufmerksam­keit geraten ist. Wie ist Ihr Amt auf einen Ausbruch vorbereite­t?

Das Frühwarnsy­stem steht, sodass wir die Seuche möglichst schnell erkennen, wenn infizierte Tiere oder Proben zu uns kommen. Wir können dabei sowohl Antikörper als auch das Genom des Afrikanisc­henSchwein­epest-Virus nachweisen. Seit vergangene­m Jahr wird Schwarzwil­d verstärkt bejagt, seither haben wir auch mehr Proben. Deshalb werden wir die Untersuchu­ngskapazit­ät erhöhen; wir haben begonnen, den Laborberei­ch in der Molekularb­iologie zu erweitern, haben neue Geräte gekauft und werden noch mehr Personal in die Methode einlernen. Und dann geht es darum, alle für diese Krankheit zu sensibilis­ieren: Schweineha­lter, andere Landwirte und jeden Bürger.

Was hat denn der „Normalbürg­er“mit der Afrikanisc­hen Schweinepe­st zu tun?

Natürlich ist die größte Gefahr der Übertragun­g der Kontakt von Tier zu Tier. Deshalb stehen Wildschwei­ne im Fokus. Aber das Virus kommt überall vor, wo Blut von infizierte­n Tieren ist, also auch in deren Fleischwar­en. Bei der Ausbreitun­g der Afrikanisc­hen Schweinepe­st in Polen und Tschechien hat das Virus sehr schnell große Strecken überwunden. Es gibt die „Wurstbrott­heorie“, nach der das Virus im Reiseprovi­ant mitgenomme­n und der Rest am Ende der Reise in der Landschaft entsorgt wurde. An der A 6 gibt es an den Rastplätze­n jetzt Warnhinwei­se, Lebensmitt­el nur in Mülltonnen mit Deckel zu entsorgen. Aber auch mit illegal an Hausschwei­ne verfüttert­en Speiserest­en läuft die Verbreitun­g an.

Welche Möglichkei­ten gibt es, die Ausbreitun­g aufzuhalte­n?

Die beste Vorbeugung ist, alles zu tun, damit man sie nicht bekommt. Es gibt im Moment keine Impfung.

Und wenn man die Seuche hat, muss man früh die klassische­n Tierseuche­nbekämpfun­gsmethoden angehen: Sperrbezir­ke, Beobachtun­gsbezirke und Tötungen. In Tschechien hat man es bisher geschafft, die Seuche bei einer Wildschwei­npopulatio­n in einer bestimmten Region zu halten. Dort wurde in der Kernzone um die Fundstelle herum zunächst nicht gejagt, um die Wildschwei­ne nicht aufzuschre­cken, und dann eingezäunt und die Jagd intensivie­rt mit dem Ziel, diese Kernzone wildschwei­nfrei zu bekommen. Die Pufferzone­n darum herum hat man von Anfang an stark bejagt, um die Bestände um 80 bis 90 Prozent zu reduzieren. Die Strategie ist: keine Wirte für das Virus.

Seit April 2016 können Rinder-, Schaf- und Ziegenhalt­er in BadenWürtt­emberg ihre Tiere freiwillig gegen Blauzungen­krankheit impfen lassen. Reicht das, um wirkungsvo­ll vor dieser Tierseuche geschützt zu sein?

Die Blauzungen­krankheit ist 2016, nach zehn Jahren, wieder in Europa aufgetauch­t und ist auf dem Weg nach Deutschlan­d. Impfen ist das Einzige, was man effektiv dagegen tun kann. Aber nein, mit einer freiwillig­en Impfung wird man keine Deckung von 80 Prozent erreichen – und erst dann lässt sich eine Infektion stoppen. Gleichzeit­ig gehen Ex-

perten davon aus, dass die bisherigen Impfungen dazu beigetrage­n haben, dass die Krankheit noch nicht hier ist. Der Landwirt, der impft, schützt seine Tiere – bei Rindern treten etwa Hautschäde­n an Maul und Zitzen auf, bei Schafen ist der Krankheits­verlauf etwas heftiger, aber die Tiere bilden Antikörper und die Symptome heilen. Allerdings gibt es, wenn die Krankheit in Deutschlan­d festgestel­lt wird, Handelsbes­chränkunge­n. Ohne Impfung könnten die baden-württember­gischen Kälber gar nicht mehr gehandelt werden.

Auch Fischgesun­dheit hat das Diagnostik­zentrum im Blick. Was gab es 2017 Neues in diesem Bereich?

Da hatten wir einen exotischen Fall. Zu uns kam ein Mann, der sehr schmerzhaf­te Knötchen an Hand und Ellenbogen hatte. An der Uniklinik hatte man bei ihm Hauttuberk­ulose diagnostiz­iert. Er bat uns, die Infektions­ursache zu finden, denn im Raum standen als Quellen sein Forellente­ich oder sein Aquarium. Die Forellen konnten wir schnell freisprech­en, aber der Zitronensa­lmler, ein Zierfisch, hatte seine gelbe Farbe verloren – ein Zeichen dafür, dass er krank war. Der Fisch zeigte Veränderun­gen zum Beispiel auf der Leber. Das haben wir untersucht und Wassermyko­bakterien gefunden,

Fischtuber­kulose also. Beim Menschen lösen die Bakterien eine Hauttuberk­ulose aus, die heilbar, aber langwierig ist. Der Mann hatte eine Fingerverl­etzung, als er das Aquarium gereinigt hat. In einem solchen Fall ist es ratsam, Handschuhe zu tragen, denn Mykobakter­ien sind in Aquarien nicht selten.

Zurzeit stehen in den Gärten viele Vogelfutte­rhäuschen. Immer mehr Menschen befüllen die Futterstel­len auch im Sommer. Welche Probleme bringt das mit sich?

An Futterhäus­chen treffen viele unterschie­dliche Vögel mit unterschie­dlichen Keimen aufeinande­r. Wenn es warm ist, vermehren und verbreiten sich Keime schneller. Im vergangene­n Sommer wurden uns beispielsw­eise fünf verendete Grünfinken gebracht, die nahe einer Futterstel­le gefunden und so beschriebe­n wurden: kurzatmig, teilnahmsl­os, aufgeplust­ertes Gefieder und Würgereiz. Wir haben dann Trichomona­den nachgewies­en. Der Parasit kommt im Kot vor und kann so zum Beispiel Tränken verunreini­gen. Kommt so etwas vor, raten wir, nicht nur das Häuschen zu reinigen, sondern den Futterplat­z zu wechseln oder das Füttern eine Weile ganz einzustell­en. Eine Plastiksch­ale im Vogelhäusc­hen, die man herausnehm­en und leicht reinigen kann, hilft zudem, vorzubeuge­n.

 ?? FOTO: PAULINA STUMM ?? Amtsleiter Thomas Miller (vorne) im Labor des Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamts. Dort wird Milch, Blut oder Gewebe von Tieren auf Krankheite­n untersucht.
FOTO: PAULINA STUMM Amtsleiter Thomas Miller (vorne) im Labor des Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamts. Dort wird Milch, Blut oder Gewebe von Tieren auf Krankheite­n untersucht.

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