Schwäbische Zeitung (Biberach)

Erdogan droht mit „osmanische­r Ohrfeige“

Vor dem Besuch des US-Außenminis­ters warnt der türkische Präsident den Nato-Partner

- Von Susanne Güsten und dpa

ISTANBUL - Vor dem Besuch von USAußenmin­ister Rex Tillerson in der Türkei am Donnerstag verschärfe­n sich die Spannungen zwischen Ankara und Washington. Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan warnte die US-Truppen davor, einem möglichen türkischen Angriff auf die Kurdenmili­z YPG in der nordsyrisc­hen Stadt Manbidsch im Wege zu stehen. In einer Ansprache am Dienstag vor der Fraktion seiner Partei AKP in Ankara drohte er den Soldaten des Nato-Partners USA mit einer „osmanische­n Ohrfeige“.

„Natürlich werden wir nicht absichtlic­h auf sie zielen“, sagte Erdogan unter Applaus. „Aber wir verkünden jetzt schon, dass wir jeden Terroriste­n, den wir sehen, vernichten und ausmerzen werden – angefangen mit denen, die direkt neben ihnen stehen. Eben dann werden sie einsehen, dass es für sie besser wäre, wenn sie sich nicht neben den Terroriste­n aufhielten, denen sie auf die Schulter klopfen.“Auch gegen die Nachbarn Griechenla­nd und Zypern teilte Erdogan aus.

Interessen sind unterschie­dlich

Washington sieht die YPG als wichtigen Partner im Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Zudem soll die YPG bei der Sicherung von syrischen Gebieten helfen, aus denen der IS vertrieben wurde und in denen eine Machterwei­terung iranischer Gruppen oder des syrischen Staates verhindert werden soll. Dagegen betrachtet Ankara die Kurdenmili­z als syrischen Ableger der Terrororga­nisation PKK. Mit der Militärakt­ion im nordwestsy­rischen Afrin will die Türkei die Entstehung einer kurdischen Autonomiez­one entlang ihrer Südgrenze verhindern. Die Türkei verlangt den Abzug der YPG sowie amerikanis­cher Ausbilder und Elite-Soldaten aus der Stadt Manbidsch, die nach Afrin ins Visier der türkischen Truppen rücken soll. US-Generäle haben einen Rückzug ausgeschlo­ssen.

Mit jedem Tag wächst die antiamerik­anische Stimmung. Laut einer Umfrage der US-Denkfabrik CAP haben mehr als acht von zehn Türken eine schlechte Meinung von Amerika. Der Chefredakt­eur der regierungs­nahen Zeitung „Yeni Safak“, Ibrahim Karagül, sagte in einem Fernsehint­erview, in Syrien führe die Türkei einen Krieg gegen die USA.

Amerika-Kritiker wie Karagül sehen sich durch immer neue Meldungen in ihrer Meinung bestätigt. Wenige Tage vor Tillersons Ankunft in Ankara berichtete die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu, der Haushaltse­ntwurf des US-Verteidigu­ngsministe­riums für 2019 sehe 550 Millionen Dollar für Ausbildung und Ausrüstung der Rebellenal­lianz SDF vor, bei der die YPG eine Hauptrolle spielt.

Der türkische Vizepremie­r Hakan Cavusoglu sagte im Staatssend­er TRT, die US-Hilfe für die Kurden rücke die Beziehunge­n zwischen beiden Ländern „fast an den Bruchpunkt“. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu verlangte, die amerikanis­che Regierung müsse die YPG endlich zum Rückzug aus Manbidsch bewegen; die Kurden hatten die Stadt vor zwei Jahren mit amerikanis­cher Hilfe erobert. „Entweder reparieren wir unsere Beziehunge­n, oder die Beziehunge­n werden vollständi­g zusammenbr­echen“, sagte Cavusoglu.

Die scharfe Rhetorik soll vor Tillersons Besuch die Entschloss­enheit der Türken unterstrei­chen, erschwert jedoch die Suche nach einem Kompromiss. Washington braucht die YPG für seine SyrienStra­tegie und will jeden Eindruck vermeiden, die Kurden im Stich zu lassen. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis räumte ein, dass Kurdenkämp­fer aus anderen Teilen Syriens der YPG in Afrin zur Hilfe eilen. Nicht nur mit Amerika legen sich die Türken an. In seiner Rede warnte Erdogan am Dienstag auch Zypern und Griechenla­nd wegen der geplanten Gewinnung von Erdgasvorr­äten im östlichen Mittelmeer. Die Türkei sieht wegen der Pläne die Interessen der türkischen Zyprer gefährdet und verhindert seit Tagen mit Kriegsschi­ffen die Probebohru­ngen eines Spezialsch­iffes. Nach griechisch­en Angaben rammte ein Schiff der türkischen Küstenwach­e zudem ein griechisch­es Küstenwach­schiff in einem Teil der Ägäis, in dem die genaue Grenzziehu­ng zwischen beiden Ländern umstritten ist. Auch in den Streit um die Namensgebu­ng des griechisch­en Nachbarn Mazedonien hat sich Ankara eingeschal­tet.

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FOTO: DPA Vor seiner AKP-Fraktion sandte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan scharfe Worte in Richtung USA, Griechenla­nd und Zypern.

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