Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wohltätige Sitte: Spenden statt Geschenke?
Wer Freude genießen will, muss sie teilen. Das Glück wurde als Zwilling geboren.“Der englische Lord George Gordon Noel Byron, ein Dichter der Romantik, lag mit dieser Weisheit ganz richtig. Denn die schönsten Geschenke sind doch die, die man teilen kann. Als Kind freute ich mich über Gesellschaftsspiele oder einen Ball: Damit konnten wir gemeinsam spielen. Darum kann ich Mitmenschen verstehen, die um Spenden für einen guten Zweck bitten: Sie wollen – wie früher als Kind – ihr Glück mit anderen teilen und selbst Freude an einem besonderen Projekt haben.
Mein Freund Rudi beispielsweise: Sein Leben lang hat er sich im Auftrag einer großen caritativen Organisation für andere, bedürftige, benachteiligte Menschen eingesetzt, war auf der ganzen Welt unterwegs. Sein Beruf war ihm Berufung. Heute ist er Rentner und möchte, dass sein Lebenswerk fortgesetzt wird. Er wünscht sich von seinen Freunden zum Geburtstag Spenden für Menschen, die ihm ans Herz gewachsen sind: „Das wäre das schönste Geschenk“, sagt er.
Ein praktischer Aspekt kommt hinzu. Ganz ehrlich: Wie oft haben Sie sich schon über Wein geärgert, den Sie nicht trinken? Über Bücher, die Sie nicht lesen?
Das Glück als Zwilling: Mit Spenden statt Geschenken ist’s möglich. Von Ludger Möllers
l.moellers@schwaebische.de
Mal angenommen, Sie wären bei Freunden eingeladen, in froher Erwartung des Miteinanders läuten Sie an der Tür, lächeln – und die Gastgeber schieben Sie leise genervt zur Seite mit dem Hinweis: „Schenk dein Lächeln und dein Interesse doch bitte dem bedürftigen Typ da hinten, der hat’s nötiger.“Wäre das nicht etwas irritierend? Wie lange würden Sie diesen Umgang noch als Freundschaft bezeichnen?
Geschenke sind nichts anderes als Aufmerksamkeiten, deshalb nennt man sie auch so. Es geht um Beziehung und um persönliche Wertschätzung, da hat eine dritte Partie erstmal nichts verloren. Mag ja sein, dass es für Harry und Meghan mit ihren 600 engen Freunden ein bisschen viel wird in Sachen Bussi-Bussi und Zuwendung, von den zu befürchtenden Serviettenringen und Tortenschaufeln ganz abgesehen. Aber das sind royale Ausnahmen.
Die meisten von uns können die Zahl der Menschen, an denen ihnen wirklich etwas liegt, ganz gut überblicken. Und von denen will ich, mit Verlaub, nicht zur Aufpolierung ihres Gutmenschen-Images verpflichtet werden. Spenden sind gut und richtig. Das möge jeder aus vollem Herzen tun. Aber bitte nicht, um die – gewiss manchmal heikle – Tradition des persönlichen Geschenks elegant auszuhebeln. Die will nämlich gepflegt sein, nicht umgangen. Von Petra Lawrenz
p.lawrenz@schwaebische.de