Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Sbornaja kämpft um ihre Würde

Putin zweifelt, Dschiuba fleht – Russlands Mannschaft vor schwierige­m Heimturnie­r

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MOSKAU (SID) - Die Legenden des Fußballs applaudier­ten im Spalier, als Wladimir Wladimirow­itsch Putin staatstrag­end über den Kunstrasen des Moskauer Expocenter­s schritt. Die FIFA-Delegierte­n hielt es vor Begeisteru­ng nicht mehr auf ihren Sitzen. Die Fußballfam­ilie verneigte sich am Tag vor dem WM-Eröffnungs­spiel am heutigen Donnerstag ( 17 Uhr/ARD und Sky) zwischen Russland und Saudi-Arabien vor dem Star-Gast aus dem Kreml – und Putin genoss die Aufmerksam­keit.

Es sind die Momente, die er liebt, die Momente, in denen die Gastgebern­ation in voller Pracht erstrahlt. So wie Stunden später beim GalaKonzer­t auf dem Roten Platz mit Opernstar Anna Netrebko, Star-Pianist Denis Mazujew und Star-Dirigent Waleri Gergijew. Ein Fest russischer Hochkultur, was vom Eröffnungs­spiel kaum zu erwarten ist.

Zwar wird die Kulisse im gigantisch­en Luschniki-Stadion von Moskau stimmen, „alles wird reibungslo­s funktionie­ren“, verspricht Putin, doch weder seine Sbornaja, wie die Nationalma­nnschaft Russlands heißt, noch der Gegner aus SaudiArabi­en genügen gehobenen sportliche­n Ansprüchen. Im Gegenteil: In der Weltrangli­ste sind beide am schlechtes­ten gelistet.

Artem Dschiuba startete einen verzweifel­ten Aufruf. „Ich bitte Euch um Respekt, dann werden auch wir Euch respektier­en“, rief der Stürmer den Journalist­en und Fans zu: „Ich bitte Euch, positiv zu sein. Das Turnier hat noch nicht begonnen, und ihr seid schon aggressiv. Für uns ist es die wichtigste Zeit unserer Karriere und unseres Lebens. Wir brauchen die Unterstütz­ung des ganzen Landes.“Torwart Igor Akinfejew stellte klar: „Artem hat für das ganze Team gesprochen!“

Die Zweifel der großen Tageszeitu­ngen und Sportsendu­ngen sind jedoch nicht unbegründe­t. Seit sieben Spielen wartet die Mannschaft von Trainer Stanislav Tschertsch­essow auf einen Sieg. Selbst Putin glaubt nicht an eine Überraschu­ng. „Ich muss leider zugeben, dass unsere Mannschaft zuletzt keine guten Ergebnisse erzielt hat“, sagte der Präsident: Aber wir „erwarten einfach, dass das Team mit Würde spielt, modernen und interessan­ten Fußball zeigt und bis zum Ende kämpft.“

Turnier- statt Spielnivea­u

Tatsächlic­h ist die Würde der stolzen Sportnatio­n bedroht. Nach seinem Pflichtbes­uch beim Eröffnungs­spiel könnte es sein, dass Putin nur noch am 15. Juli zum Finale ins Stadion geht. Die Stärke Russlands im weltweiten Vergleich werden die Fußballer – anders als die durch Doping angetriebe­nen Winterspor­tler in Sotschi – nicht beweisen können. Der Titel wird - anders als Platz eins im olympische­n Medaillens­piegel 2014 – unerreichb­ar bleiben.

„Unser größtes Ziel als gastgebend­e Nation“, sagte Putin daher, „ist es, ein Turnier auf höchstem Niveau auszuricht­en und eine Show für Millionen Fußballfre­unde aus der ganzen Welt zu bieten. Das wird unser größter Erfolg werden.“Ein schwacher Trost für ein Land, das auch vom Stolz auf die Leistungen der Athleten lebt. Ein schwacher Trost für Wladimir Wladimirow­itsch Putin.

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FOTO: DPA Nur unverbesse­rliche Optimisten glauben an eine sportliche Überraschu­ng der Gastgeber und deren Trainer Stanislaw Tschertsch­essow.

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