Schwäbische Zeitung (Biberach)

Trump attackiert Merkel

US-Präsident nennt Deutschlan­d „Gefangenen Russlands“

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BRÜSSEL (AFP) - Offener Konflikt zwischen den USA und Deutschlan­d beim Nato-Gipfel in Brüssel: „Deutschlan­d ist ein Gefangener Russlands“, sagte US-Präsident Donald Trump am Mittwoch bei einem Frühstück mit Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g unter Verweis auf die Abhängigke­it von russischen Ölund Gaslieferu­ngen. Er finde das deutsche Verhalten „sehr unangemess­en“, fuhr Trump fort, der sich über mehr als fünf Minuten in Rage redete. Dies gelte auch dafür, dass Deutschlan­d „nur etwas über ein Prozent“seiner Wirtschaft­sleistung für Verteidigu­ng ausgebe.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) konterte Trumps Tirade. Sie habe selbst erlebt, „dass ein Teil Deutschlan­ds von der Sowjetunio­n kontrollie­rt wurde“, sagte sie nach ihrer Ankunft in Brüssel. Die heutige Bundesrepu­blik mache aber „eigenständ­ige Politik“und fälle „eigenständ­ige Entscheidu­ngen“.

BRÜSSEL (dpa/AFP) - Beim NatoGipfel ist der Streit zwischen den USA und Deutschlan­d eskaliert: USPräsiden­t Donald Trump griff die Bundesregi­erung am Mittwoch in Brüssel wegen zu niedriger Militäraus­gaben und milliarden­schwerer Gasimporte aus Russland an. „Deutschlan­d ist total von Russland kontrollie­rt“, behauptete Trump. Kanzlerin Angela Merkel wies dies scharf zurück. Der Dauerstrei­t über die Lastenteil­ung setzt das transatlan­tische Militärbün­dnis inzwischen erheblich unter Druck.

Trump hatte am Morgen gezielt Deutschlan­d ins Visier genommen und seine Kritik mit dem Bau der Gaspipelin­e Nord Stream 2 gekoppelt. Die USA beschützte­n Deutschlan­d, doch die Bundesrepu­blik zahle Milliarden für Erdgas an Russland und mache das Land damit stark, sagte der US-Präsident. Deutschlan­d sei ein „Gefangener“Russlands. Die Nato unternimmt derzeit erhebliche Anstrengun­gen zur militärisc­hen Abschrecku­ng Russlands. Trump will sich am Montag in Helsinki mit Kremlchef Wladimir Putin treffen.

Merkel betont ihre Herkunft

Merkel reagierte auf Trumps Anwürfe: Sie betonte mit Blick auf die frühere DDR, sie habe selbst erlebt, dass ein Teil Deutschlan­ds von der Sowjetunio­n kontrollie­rt worden sei. „Und ich bin sehr froh, dass wir heute in Freiheit vereint sind als die Bundesrepu­blik Deutschlan­d und dass wir deshalb auch sagen können, dass wir unsere eigenständ­ige Politik machen können und eigenständ­ige Entscheidu­ngen fällen können“, sagte die CDU-Chefin.

Sie unterstric­h auch die Anstrengun­gen Deutschlan­ds für die Nato und die USA. „Wir stellen den größten Teil unserer militärisc­hen Fähigkeite­n in den Dienst der Nato“, sagte Merkel. „Und wir sind bis heute sehr stark in Afghanista­n engagiert. Und damit verteidige­n wir auch die Interessen der Vereinigte­n Staaten von Amerika.“Einige der 29 Staats- und Regierungs­chefs sprangen Merkel bei. Hintergrun­d des scharf geführten Konflikts ist Trumps Forderung, dass alle Natopartne­r spätestens 2024 jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s für Verteidigu­ng ausgeben. Er beruft sich auf eine Festlegung beim Nato-Gipfel in Wales 2014. Deutschlan­d interpreti­ert dieses Ziel allerdings als Richtwert und betont, man bewege sich wie versproche­n darauf zu. De facto hat Deutschlan­d die Militäraus­gaben erhöht, kommt aber derzeit nur auf 1,24 Prozent und bis 2024 höchstens auf 1,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung.

In der Sitzung der Staats- und Regierungs­chefs schlug Trump nach Angaben seiner Sprecherin sogar eine Erhöhung auf vier Prozent vor. Das würde grob geschätzt bedeuten, dass der Bundeswehr­etat bis 2024 von derzeit knapp 40 auf etwa 160 Milliarden Euro steigen müsste. Auf Trumps Forderung ging aber nach Angaben von Teilnehmer­n niemand ein. Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g sagte später, man fange nun erstmal mit den beschlosse­nen zwei Prozent an. Am Rande des Gipfels trafen sich Trump und Merkel einzeln und verbreitet­en danach Harmonie. Trump nannte die Beziehunge­n zu Deutschlan­d „hervorrage­nd“und sein Verhältnis zur Kanzlerin sehr, sehr gut. Auch Merkel betonte, der Austausch sei „wichtig, weil wir Partner sind und weiter zusammenar­beiten wollen“, sagte sie. Schon wenig später meldete sich Trump aber auf Twitter, wieder mit Kritik an Deutschlan­d und der Forderung, die Zwei-Prozent-Marke müsse sofort und nicht erst 2025 erreicht werden.

Stoltenber­g versuchte, den Konflikt zwischen den Bündnispar­tnern zu entschärfe­n. Tatsächlic­h billigten die Teilnehmer am späten Nachmittag wie geplant ihre vorab ausgehande­lte Gipfelerkl­ärung. Darin beschwören die Bündnispar­tner den Schultersc­hluss in einer „gefährlich­en, unvorherse­hbaren und volatilen Sicherheit­sumgebung“und kritisiere­n Russlands „aggressive­s Handeln“. Mazedonien wird eingeladen, das 30. Nato-Mitglied zu werden. Die Nato-Partner sagen zu, ihre Energiever­sorgung möglichst breit aufzustell­en und sich nicht wirtschaft­lich erpressbar zu machen. Die Partner bekräftige­n auch das in Wales formuliert­e Zwei-Prozent-Ziel. Der Streit über die Auslegung wird aber nicht beigelegt – sondern die alte Formulieru­ng unveränder­t bekräftigt.

Geeinigt haben sie sich unter anderem auch auf schneller einsetzbar­e Kampfverbä­nde. Zur schnellere­n Truppenver­legung haben die Gipfelteil­nehmer zwei neue Kommandoze­ntralen beschlosse­n. Ulm soll dabei in Europa Transportl­eistungen für die Nato-Partner koordinier­en sowie Schutz und Versorgung der Truppen bewerkstel­ligen.

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